Saturday, April 07, 2018

La viaccia, Mauro Bolognini, 1961

Wie hat der Film eigentlich begonnen? Genau weiß ich es schon nicht mehr, der Film formiert sich in meinem Kopf erst ab dem Moment, in dem Cardinale auftaucht. Jedenfalls gibt es sehr früh im Film einen Todesfall, das Familienoberhaupt stirbt. Belmondo spielt nicht den Sohn, sondern den Enkel, er ist also zwei Generationen entfernt, ihn geht das alles noch nicht so richtig viel an, ein Rumtreiber ist er, einer, der auch in Innenräumen den Hut nicht abnimmt. Er wird ans Bett des Sterbenden gerufen und ist tatsächlich im Moment des Todes der einzige Zeuge. Es gibt dann eine Weile bedrückendes, kleingeistiges Familiendrama, ein Onkel reißt die Macht im Clan an sich, Belmondos Vater dagegen ist kleinlaut und lässt sich übers Ohr hauen. Hat Belmondo nicht auch Schwestern? Oder verwechsele ich das mit einem anderen Film? Jedenfalls ist er das schwarze Schaf der Familie, aber er ist charmant genug, um mit seinen Tricks durchzukommen.

Dann aber taucht Claudio Cardinale auf, aus dem Bildhintergrund läuft sie nach vorne, auf Belmondo zu, eine Zufallsbekanntschaft auf der Strasse, sie flüchtet gemeinsam mit einer Freundin vor dem Regen. (Was wäre, wenn er in diesem Moment nicht sie, sondern ihre Freundin angeblickt hätte?)

Gibt er ihr Feuer? Ja, ich glaube, zumindest verfolgt er sie dann. Die beiden Frauen sind Prostituierte und arbeiten in einem (zumindest im Vergleich mit den anderen Räumen des Films) opulent eingerichteten Bordell. Belmondo verfällt mindestens so sehr diesem Ort wie Cardinale. Sein kleiner Charme passt zum kleinen Prunk des Bordells. Wirklich wohl zu fühlen scheint er sich nur in einer recht kurzen Episode des Films, in der er im Bordell als Laufbursche angestellt wird. Die Betreiberin, die sich zu ihm hingezogen fühlt (vermutlich, weil sie seinen dekorativen Wert erkennt) gibt ihm nicht nur ein Gehalt, sondern sie staffiert ihn aus, und lässt ihn beim Abendessen an ihrem Tisch sitzen, von dem aus die beiden die um einen großen Tisch herumsitzenden übrigen Frauen im Blick haben.

Zu Cardinale passt Belmondo nicht so richtig in diesem Film. In ihr schwelt ein großes Melodrama, in dem er letztlich fehlbesetzt ist. Sie konstruiert Erzählungen, ihm genügen Bilder (und Selbstbilder, vor allem).

Was bleibt von diesem Film? Komischerweise doch eher Belmondo als Cardinale, obwohl sie sich alle Mühe gibt und sicherlich objektiv besser spielt; und das Bordell als ein totaler Innenraum des Weiblichen und der Sexualität im Gegensatz zur spätneorealistischen, verhärmten Ödnis draussen vor der Tür (immer wieder geht es um den Ein- und Austritt aus diesem Raum, auf verschiedene Optionen des Zutritts und des Verlassens). Keineswegs ein utopischer Raum, aber ein lebendig pulsierender. Dass in ihm Sex nur als ge- und verkauften gibt, das erkennt der Film an, doch es ist gleichzeitig der einzige Ort, in dem die Sehnsucht nach etwas Anderem spürbar wird.

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