Friday, June 17, 2016

Okuni to Gohei, Mikio Naruse, 1952

Ein Film über lockende, flirrende Töne, die einen des Nachts heimsuchen. Fast noch könnte man sie, wenn man sie nebenbei hört, mit Naturgeräuschen verwechseln, und vielleicht kommt man deshalb auf den Gedanken, dass das Glück, von dem sie zu kunden scheinen, einem auch tatsächlich zusteht, gegen alle gesellschaftlichen Wahrscheinlichkeiten. Der Sehnsucht, der diese Töne einerseits entsprechen und die sie andererseits hervorrufen, kann Okuni (Michiyo Kogure) nicht nachgeben, nicht mehr, zumindest. Einmal, früh im Film, zeigt eine Rückblende, wie sie sich eines Nachts von ihrem Bett erhebt und den Klängen folgt, die ihr Geliebter Tomonojo auf seinem Shakuhachi erzeugt. Sie eilt durch eine der schönen, pittoresken, durchaus offensiv artifiziellen Studiokulissen, in denen ein großer Teil des stets bewußt gestalteten Films spielt, kann Tomonojo, mit dem sie, das wird am Ende explizit, ein sexuelles Verhältnis hatte, aber nur einen Abschiedsbrief überreichen.

Der Brief macht Tomonojo zum Mörder: Er bringt den Mann um, den Okuni statt ihm heiratet. Daraufhin wird Okuni vermittels eines weiteren Briefs aufgetragen, ihrerseits Tomonojo zu töten, gemeinsam mit Gohei, einem Untergebenen des Toten. Die Schrift verurteilt, die Menschen sind die widerwilligen Henker.

Okuni und Gohei sehen sich in einem vorläufigen, nie so recht harmonischen Bündnis geeint. Die Bewegungen, die Blicke, selbst die Dialoge sind selten synchron. Beide misstrauen einander und verkennen sich. Okuni sieht in Gohei einen schlechten, schwächlichen Ersatz für den mörderischen Geliebten, Gohei in Okuni eine Verkörperung seines Meisters, der allerdings das Geschlecht gewechselt hat, was ihn in Verwirrung stürzt. In ihrem Begehren blockiert durch einen lebenden Mörder und dessen Opfer durchstreifen sie das Land. Aus der Ferne klingt, erst gelegentlich, dann immer öfter, und bald nicht mehr wirklich aus der Ferne, sondern schon fast zum Greifen nah, und nicht mehr länger nur nachts, sondern auch am hellichten Tage, ein Shakuhachi. Dass nicht beide sofort erkennen, dass die Situation sich längst umgedreht hat, weil nicht sie Tomonojo verfolgen, sondern Tomonojo sich an ihre Fersen geheftet hat, ist nach psychologischen Maßstäben Unfug; es passt aber wunderbar sowohl zur perversen Anlage des Films, als auch zu Okuni und Gohei, die sich beide derart hoffnungslos in den Abgründen ihres Begehrens verlaufen haben, dass sie den Wald vor lauter Studiobäumen nicht mehr sehen.

Wieviel Land auch durchmessen wird im Verlauf des Films, im Kern entfaltet er sich ins Innere seiner Figuren hinein, produziert psychologische Kurzschlüsse. Besonders deutlich wird das in einer langen, umwerfenden Passage nach ungefähr zwei Dritteln des Films: Okuni wird krank, zieht sich in ihr Bett, hinter ihr Moskitonetz zurück. Der Kopf ruht auf einer hölzernen Stütze, die ihr Antlitz im Bild isoliert. Gohei pflegt sie, und geht in dieser Tätigkeit weit mehr auf als in der Jagd nach Tomonojo. Gerade das sie trennende Moskitonetz scheint ein notwendiges Medium ihrer Liebe zu sein. Erst jetzt erkennen sie sich.






















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