Wednesday, June 11, 2014

Edge of Tomorrow, Doug Liman, 2014

Die von Groundhog Day und, noch direkter, von Source Code übernommene Zeitschleifen-Idee hat in Edge of Tomorrow tatsächlich gerade deshalb einen zusätzlichen Reiz, weil Doug Liman sie auf den Blockbustermodus überträgt. Auf den Punkt bringt diese Konstruktion einen Gegensatz, der, scheint mir, zentral ist für das hochkapitalisierte Actionkino der Gegenwart: den Gegensatz zwischen Faschismus und Melancholie.

Im Angesicht der Katastrophe / des Chaos (die / das als Grundbedingung gesetzt ist, die immer sofort maximalen Druck erzeugt: räumlich, zeitlich, narrativ) gibt es, scheint es, unter Hollywoodbedingungen nur zwei Alternativen: Der Faschismus sieht vom Individuum ab und ordnet alles der Gemeinschaft unter. Die Melancholie gibt den Gedanken an kollektive Handlungsmacht auf, rettet dafür aber das Individuum. Natürlich ist mir die zweite Alternative lieber; und ebenso natürlich muss sich ein am Markt orientiertes Kino am Ende zwangsläufig für die erste entscheiden. (Selbstverständlich gibt es immer Kippfiguren; aber eigentlich kann nur die Melancholie eine Ahnung vom Faschismus geben, zum Beispiel in ungerichteten Wutausbrüchen ohne Objekt; anders herum hat der nachdenkliche Blick in die Ferne im Augenblick des totalen Triumphs keine echte Ahnung mehr von der Hilflosigkeit des Individuums.)

Interessant ist Edge of Tomorrow gerade auch nicht, weil er mit dieser Regel bricht, sondern nur, weil es dem Film erstaunlich lange gelingt, eben diese vom Produktionsmodus vorgeprägte Entscheidung hinauszuzögern. Die Wiederholungen selbst halten beide Optionen offen: Man kann sie entweder als Parkour für Sellbstoptimierung nützen, wobei dann natürlich allerlei Kollateralschäden mit einkalkuliert werden müssen, weil es immer schon darum geht, das Wichtige vom Unwichtigen, das Lebenswerte vom Lebensunwerten zu scheiden. Oder aber man erkennt die Nutzlosigkeit zielgerichteten Handelns an, geht auf Distanz zum gefühlten Auftrag und schafft sich gerade mithilfe der Wiederholung (die ja als formalisierte Struktur Teil der Moderne ist) Freiräume.

Tatsächlich hatte ich lange auf eine Szene gewartet, die die Sache vereindeutigt hätte: Ich hatte vermutet, dass es irgendwann einmal eine Szene gibt, in der gezeigt wird, wie Cruise den der Spielberg'schen D-Day-Verfilmung nachempfundenen Schlachtplatz am Strand wie einen Parkour meistert. Also eine Plansequenz, die nachvollzieht, wie Cruise ballettartig den Gefahren ausweicht, so als wäre er ein Avatar und sein lenkender Spieler habe seine eigenen Reflexe in diesem besonders schwierigen Computerspielelevel so aussführlich gestählt, bis auch wirklich jeder Tastendruck sitzt. Im Film gibt es Ansätze zu einer solchen Szene, komplett realisiert wird sie jedoch nie.

Zumindest nicht in diesem Setting am Strand, also nicht als Teil des großen, zentralen action set piece des Films. Später taucht sie doch noch auf, allerdings kleinformatiger, im Hauptquartier der Armee, wo Cruise und seine Begleiterin lediglich rechtzeitig hinter Türen sich wegzuducken haben. Tatsächlich ist diese späte Selbstoptimierungssequenz ein erstes Zeichen dafür, dass der Film sich im letzten Viertel seiner Laufzeit doch noch eindeutig auf die Seite des Faschismus geschlagen hat; wenig später schon folgt das reichlich dämliche Finale, in dem, folgerichtigerweise, die Zeitschleifenidee außer Kraft gesetzt wird und die alten Hierarchien wieder gelten: Du bist der Held, Ihr da hinten werdet für das große Ganze geopfert.

Ziemlich unmittelbar vor diesem Kipppunkt, ab dem der Film nur noch ein vorfestgelegtes Programm abarbeitet, wagt er sich so weit wie möglich in die andere Richtung, in Richtung Melancholie. Cruise hat, in einem abgelegenen Bauernhaus irgendwo im Landesinneren (dass Liman immer noch ein guter Regisseur ist, merkt man daran, dass man wirklich aufatmet, wenn man mit ihm aus dem digitalen Gefechtsraum in die freie Natur hinausfährt), einen idealen Ausstiegspunkt gefunden. Bis hierhin und nicht weiter will er das Spiel mitspielen, hier möchte er der Welt, eben mit Hilfe der Wiederholungen, wenigstens ein romantisches Abendessen und eine gemeinsame Nacht mit Emily Blunt abringen. Das Problem besteht dann nur noch darin, auch ihr beizubringen, dass das die viel interessantere Option ist. Es gehtalso nur noch um ein Problem der Kommunikation; leider haben es Blockbuster nicht so mit der Kommunikation.

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