Monday, June 30, 2014

Cinema Ritrovato 2014: Mother India, Mehboob Khan, 1957

When the husband, after an accident that led to his having both arms amputated, leaves his home and his wife, Radha, he touches the forehead of the sleeping woman (with his lips?) and thereby smeares her Bindi. When seeing this scene, I was just struck by the color effect itself, the somewhat translucent red trace on her skin. If I had thought even one bit further I surely wouldn't have missed the symbolic meaning of his gesture: He can no longer function as a husband (and, especially, as a provider), so it is logical to destroy or at least attack the inscription the marriage made on his wife. Only minutes later, after one of countless kinetoemotional (feeling and movement always come together in Mother India) outbursts, her mother in law informs her about her now completely missing Bindi. When in reaction to this Radha is taken by an enormous shock, one realizes that for her it isn't really a question of symbolism. Her husband is gone, because he doesn't register on her face any more.

Radha's face is a medium inside a medium, at least in the first half of the film. Almost every imoportant action is inscriped on this very special surface - but not as externalizations of psychic insciptions, but as material traces that are irreducible to subjectivity. Above all: beads of sweat (that are the result of narrative,rather than bodily stress), but also decorative dirt, wounds. To put it another way: the face is a screen on which Khan projects a film inside a film.

I only realized the importance of Radha's face for the film when it suddenly - almost - vanished from it: after a time leap, Radha is an old woman and has to make place for the younger generation. Especially for her son Birju, who has an interesting and prominent face, too; but his face never gets quite the same treatment, it is never used as a stand-in for the film as a whole. Birju is much too wayward (to borrow an important characterization from Kapoor's Awaara, which I saw the following day) to be reduced to a national allegory. I have to admit that I prefered the much weirder, sometimes almost german-sex-comedy-like second half to the socialist-realism-infused tiered-people-staring-in-profile-into-the-future first half. Of course, this kind of analytic partitioning isn't really useful in a film that switches gear completely every few minutes and that never shies away of undercutting all kinds of poetics in the spur of the moment (the urge of the moment always taking precedent over The Big Picture).

Saturday, June 28, 2014

Circus World, Henry Hathaway, 1964

Die erste Spur von Rita Hayworth nimmt John Wayne zwischen roten, europäischen Tapeten auf, in einer halbseidenen Absteige. Das Zimmer seiner ehemaligen Geliebten (und Filmmutter von Claudia Cardinale), das die Wirtin ihm zeigt, verbindet Klösterliches mit einem Hauch dekorativen Halbwelt-Charmes: ein Hauch von Buntglas, aber das Kruzifix insistiert. Nachdem die rothaarige Wirtin die Tür öffnet, bietet sich das Zimmer erst unbewohnt den Blicken dar. Dann betritt Wayne den Raum, ihren Raum. Der Film jedoch macht sich nicht mit seiner Bewegung gleich, er betritt den Raum nicht mit, macht ihn sich nicht zu eigen. Er vollzieht nach, wie Wayne sich in etwas Fremdem bewegt, lässt das framing stehen (aber nicht diktatorisch streng: wenn Wayne sich bückt, interessiert Hatahway sich dafür, was er am Boden findet). Die Einstellung teilt den Raum nicht; der Raum ist die Einstellung, bleibt die Einstellung. Der Film bleibt in der gesamten Szene eher bei der Wirtin, als bei Wayne, dem Star. Hayworth wiederum, die wenig später, erst verhüllt, dann immer glamouröser, in den Film eindringen wird, bleibt tatsächlich bis zum Schluss opak, lediglich zu Stillleben arrangierte Splitter ihrer Existenz finden, isoliert in Großaufnahme, ins Bild (aber was für eine Existenz: Kreuze, Alkohol, Selbstmord). Am Ende der Szene eine Überblendung vom letzten Blick aufs Zimmer auf die Plakatfronten der Zirkuswelt, die den Film sonst fest im Griff hat - eigentlich zeigt wirklich nur diese eine Szene im tristen Zimmer des alteuropäischen Schmuddelhotels an, dass es eine Welt außerhalb des Spektakels gibt (aber, nochmal, was für eine Welt: Kreuze, Alkohol, Selbstmord).











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Am Ende brennt der Zirkus, die Frauen schweben in die Höhe (wäre auch eine Untersuchung wert: Hathaway und Vertikalität - gerade in den Scopefilmen scheinen die Auf- und Untersichten ein Mittel zu sein, das unkontrolliert in die Breite zu entschwinden drohende Bild wieder angemessen unter Druck zu setzen), reißen die Planen herunter, geben den Blick frei auf die edeleuropäische Renaissancekulisse (die Drehorte des Films...). Und das letzte Spektakel, das nicht nur deshalb für sein ganzes Kino einstehen kann, inszeniert Hathaway zumindest teilweise unter freiem Himmel.
















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Sicherlich hatten viele damals Circus World zu jenen überdimensionierten Superproduktionen der 1960er gezählt, mit denen sich das klassische Hollywood nicht nur ökonomisch, sondern auch künstlerisch desavouiert hatte. Ich habe in den letzten Jahren einige dieser Filme gesehen; fast durchweg interessieren sie mich inzwischen mehr, als all die smarten New-Alternativen, die ein paar Jahre später auftauchen. Circus World zumindest ist ein Meisterwerk. Wo hätte New Hollywood jemals solche Durchgänge gefilmt?




Friday, June 27, 2014

Genius of the System

Baby Face, Alfred E. Green, 1933

Das ursprünglich vorgesehene, historisch nie vorgeführte, seit einigen Jahren dank eines Archivfundes plötzlich doch zirkulierende Ende dieses schnellen, ökonomischen, auf interessante Weise schmucklosen (ein unglamouröser Film über Glamour) Precode-Melodrams ist schon schön genug: Erst im Angesicht des Todes ist es möglich, dem ewig insistierenden Geld (beziehungsweise: Gold; in den Precodefilmen glänzt das Geld noch, braucht noch eine Form jenseits des Tauschwerts, auch das mag ich an ihnen) für einmal nicht nachzugeben.

Noch besser ist dann allerdings das andere Ende, das die Produzenten nachdrehen ließen, um ihn mit irgendeiner Moral in Einklang zu bringen. (Stimmt das? Ist das noch Moral, wenn sie so funktional gedacht werden kann? Hat sie nicht schon in dem Moment, in dem sie sich auf Regeln der Darstellung festlegt, verloren? Schon vorher im Film finden die Produzenten ein geniales Bild für den eigenen, beknackten Eingriff und wissen also offensichtlich, was sie da tun: In ein Buch der Unmoral - Nietzsche! - wird einfach ein zusätzliches, ein moralisches Blatt Papier zwischen die Zeilen gelegt...) Es geht nun nicht mehr darum, dass duie über gebrochene Männerherzen und irgendwann -leichen gehende Barbara Stanwyck zum Einlenken gebracht wird, sie muss auch noch bestraft werden dafür, dass sie sich vorher einen schon fast allzu phallsichen Konzernhochhausturm emporgekämpft hatte, durch lauter Buchhaltungsabteilungen (ziemlich weit unten: John Wayne). Und zwar wird sie, nachdem in der (glaube ich) einzigen wirklich nachgedrehten Szene die Phallusspitze ihrer selbst versichern darf, in das erste Bild des Films zurückgeschickt: Ein tristes und tatsächlich weitgehend (komplett?) gemaltes Industriepanorama. Da ist sie aufgewachsen und auf die schiefe Bahn geraten, da ist ihr Vater in einem Hochofen verunglückt, da wird nun auch ihr Mann arbeiten. Der Film hat die Ordnung wiederhergestellt - doch was folgt daraus, außer die Erkenntnis, dass diese Ordnungsfunktion viel fürchterlicher ist (das Bild muss gar nicht mehr neu gemacht werden, es IST SCHON IMMER DA), als jede Attacke gegen den Firmenphallus jemals sein könnte? Wenn es je eines gab: ein Ende from hell. Fassbinder hätte es nicht besser hingekommen.

Wednesday, June 18, 2014

The Desert Fox, Henry Hathaway, 1951

The Desert Fox: Damit muss man wohl irgendwie klarkommen, dass Hathaway nicht nur einen Film über Rommel gedreht hat; sondern, dass James Masons Rommel auch noch ein ziemlich quintessentieller Hathaway-Held ist: im Gestus aristokratisch, aber nicht dünkelhaft, sondern denkend, offenherzig, immer alles auf einmal aufs Spiel setzend, stets bereit, alles über Bord zu schmeißen. (Aber es ist dann gleichzeitig doch eher der Film, der ihn treibt, nicht er, der den Film antreibt; Hathaways Helden reagieren eher, als dass sie agieren, aber der Reaktion verschreiben sie sich dann immer mit Haut und Haaren)

Der vorletzte Kriegsfilm Hathaways; den letzten drehte er erst 20 Jahre später - ebenfalls über Rommel (noch nicht gesehen). Der Film fühlt sich instabil an. Der Grund vielleicht: Der Krieg hat sich von menschlichem Handeln gelöst. Wobei der Prolog zuerst eine extrem effektive, mittelbewusst durchgeführte Kommandoaktion zeigt, die nur auf einen Punkt hin inszeniert ist: Menschen zielen auf andere Menschen - und knallen sie dann ab. Krieg heißt Töten. Aber die Aktion scheitert: Rommel lebt... Seine Geschichte mit den Mitteln des combat films zu erzählen, ist nicht möglich. Gekillt werden wird er offscreen, am Ende. (Auch das Stauffenbergattentat btw: offscreen) So ganz weiß der Film selbst nicht, was für einen Sinn er diesem Tod geben soll (warum er aus den vielen ausgerechnet diesen einen auswählt). Das andere, das kriegerische Massentöten verselbständigt sich. Mit einer Wucht, die ich, glaube ich, aus keinem anderen Kriegsfilm der Zeit kenne, dringt später immer wieder Archivmaterial von Schlachtszenen in den Film, das mit der Spielhandlung nicht ein bisschen (narrativ) vermittelt wird. Oft einfach nur Bomben über Bomben, Szenen, die dem Film selbst Gewalt anzutun, ihn in seine Bestandteile aufzulösen scheinen. Es bleibt nur schwarz und weiß.

Hitler immerhin hätte nie ein Hathaway-Held werden können, das macht sein kurzer Auftritt unmissverständlich deutlich.

Wednesday, June 11, 2014

Edge of Tomorrow, Doug Liman, 2014

Die von Groundhog Day und, noch direkter, von Source Code übernommene Zeitschleifen-Idee hat in Edge of Tomorrow tatsächlich gerade deshalb einen zusätzlichen Reiz, weil Doug Liman sie auf den Blockbustermodus überträgt. Auf den Punkt bringt diese Konstruktion einen Gegensatz, der, scheint mir, zentral ist für das hochkapitalisierte Actionkino der Gegenwart: den Gegensatz zwischen Faschismus und Melancholie.

Im Angesicht der Katastrophe / des Chaos (die / das als Grundbedingung gesetzt ist, die immer sofort maximalen Druck erzeugt: räumlich, zeitlich, narrativ) gibt es, scheint es, unter Hollywoodbedingungen nur zwei Alternativen: Der Faschismus sieht vom Individuum ab und ordnet alles der Gemeinschaft unter. Die Melancholie gibt den Gedanken an kollektive Handlungsmacht auf, rettet dafür aber das Individuum. Natürlich ist mir die zweite Alternative lieber; und ebenso natürlich muss sich ein am Markt orientiertes Kino am Ende zwangsläufig für die erste entscheiden. (Selbstverständlich gibt es immer Kippfiguren; aber eigentlich kann nur die Melancholie eine Ahnung vom Faschismus geben, zum Beispiel in ungerichteten Wutausbrüchen ohne Objekt; anders herum hat der nachdenkliche Blick in die Ferne im Augenblick des totalen Triumphs keine echte Ahnung mehr von der Hilflosigkeit des Individuums.)

Interessant ist Edge of Tomorrow gerade auch nicht, weil er mit dieser Regel bricht, sondern nur, weil es dem Film erstaunlich lange gelingt, eben diese vom Produktionsmodus vorgeprägte Entscheidung hinauszuzögern. Die Wiederholungen selbst halten beide Optionen offen: Man kann sie entweder als Parkour für Sellbstoptimierung nützen, wobei dann natürlich allerlei Kollateralschäden mit einkalkuliert werden müssen, weil es immer schon darum geht, das Wichtige vom Unwichtigen, das Lebenswerte vom Lebensunwerten zu scheiden. Oder aber man erkennt die Nutzlosigkeit zielgerichteten Handelns an, geht auf Distanz zum gefühlten Auftrag und schafft sich gerade mithilfe der Wiederholung (die ja als formalisierte Struktur Teil der Moderne ist) Freiräume.

Tatsächlich hatte ich lange auf eine Szene gewartet, die die Sache vereindeutigt hätte: Ich hatte vermutet, dass es irgendwann einmal eine Szene gibt, in der gezeigt wird, wie Cruise den der Spielberg'schen D-Day-Verfilmung nachempfundenen Schlachtplatz am Strand wie einen Parkour meistert. Also eine Plansequenz, die nachvollzieht, wie Cruise ballettartig den Gefahren ausweicht, so als wäre er ein Avatar und sein lenkender Spieler habe seine eigenen Reflexe in diesem besonders schwierigen Computerspielelevel so aussführlich gestählt, bis auch wirklich jeder Tastendruck sitzt. Im Film gibt es Ansätze zu einer solchen Szene, komplett realisiert wird sie jedoch nie.

Zumindest nicht in diesem Setting am Strand, also nicht als Teil des großen, zentralen action set piece des Films. Später taucht sie doch noch auf, allerdings kleinformatiger, im Hauptquartier der Armee, wo Cruise und seine Begleiterin lediglich rechtzeitig hinter Türen sich wegzuducken haben. Tatsächlich ist diese späte Selbstoptimierungssequenz ein erstes Zeichen dafür, dass der Film sich im letzten Viertel seiner Laufzeit doch noch eindeutig auf die Seite des Faschismus geschlagen hat; wenig später schon folgt das reichlich dämliche Finale, in dem, folgerichtigerweise, die Zeitschleifenidee außer Kraft gesetzt wird und die alten Hierarchien wieder gelten: Du bist der Held, Ihr da hinten werdet für das große Ganze geopfert.

Ziemlich unmittelbar vor diesem Kipppunkt, ab dem der Film nur noch ein vorfestgelegtes Programm abarbeitet, wagt er sich so weit wie möglich in die andere Richtung, in Richtung Melancholie. Cruise hat, in einem abgelegenen Bauernhaus irgendwo im Landesinneren (dass Liman immer noch ein guter Regisseur ist, merkt man daran, dass man wirklich aufatmet, wenn man mit ihm aus dem digitalen Gefechtsraum in die freie Natur hinausfährt), einen idealen Ausstiegspunkt gefunden. Bis hierhin und nicht weiter will er das Spiel mitspielen, hier möchte er der Welt, eben mit Hilfe der Wiederholungen, wenigstens ein romantisches Abendessen und eine gemeinsame Nacht mit Emily Blunt abringen. Das Problem besteht dann nur noch darin, auch ihr beizubringen, dass das die viel interessantere Option ist. Es gehtalso nur noch um ein Problem der Kommunikation; leider haben es Blockbuster nicht so mit der Kommunikation.

Monday, June 09, 2014

ein selbstversuch

bei dem doch nur text herauskommen kann, am ende, weil ich natürlich, nachdem ich benommen aus der badewanne steige, doch gleich etwas essen kann... und nachher kann ich sogar etwas richtig tolles essen, wenn ich will, ein schnitzel, wenn ich lust darauf habe.
schon die letzten tage hatte ich angefangen, "moon in the gutter" von goodis zu lesen, war nicht recht damit klargekommen zunächst. nicht, dass es mir nicht gefällt, ich spüre sofort eine dringlichkeit, die mir nahe geht. aber ich sehe noch nicht so recht, wozu es die rahmungen braucht, da noch eine nebenfigur und da noch eine, alle haben vergangenheiten, nur das blonde geheimnis nicht. die badewanne ist dann zu heiß, erst recht heute. mit der hitze komme ich klar, aber nicht, wenn ich vorher fahrrad gefahren bin und jetzt zu heiß bade. ich kühle das wasser nicht ab, und beschließe, weiter goodis zu lesen, bis ich halb durchs buch durch bin. der körperliche stress soll mich ins buch hinein leiten. aber natürlich ist das einer jener gedanken, der schon im moment des gedacht werdens sich zu verschriftlichen beginnt und der neben sich nicht viel platz lässt. ob mir "moon in the gutter" gefällt, weiß ich auch jetzt, auf seite 92 mitte, noch nicht.

Summer Storm / Natsu no arashi, Ko Nakahira, 1956

Ryokos Voice-Over-Monolog nach exzessivem Prolog und Credits, während sie sich in ihrem Zimmer zurecht macht:

"Last night was stiflingly hot.
To mask my fatigue, I used dark lipstick.
I style myself to accentuate my beauty and my brain.
Cool, but talented is how I show myself to the world.
It's not mere affection I seek.
I want them swooning at my feet, while I'm impervious to all."

Währenddessen frisiert sie sich. Nach dem Ende des Monologs streckt sie eines Ihrer Beine über die Leinwand aus, ihr Stiefbruder betritt im Bildhintergrund das Zimmer, wird vom Bein gebannt. Und wird den Bann nicht mehr los.

Wenig später schreitet Ryoko dann eine Treppe hinab, herunter in den Wohnraum der Familie, die anders ist, als sie, nämlich noch gebunden von Tradition, ergeben dem Dauerdruck, der Dauerbeobachtung der Gesellschaft. Aber vor allem: hinein in einen Film, der ist wie sie, nämlich gleichzeitig berechnend und unberechenbar: Einerseits blickt Nakahira nüchtern, fast schon analytisch auf die diversen Begehren, die in einer postfeudalen Gesellschaft langsam freier zirkulieren dürfen, er benennt sie vor allem erst einmal alle, eines nach dem anderen. Andererseits lässt er sich von den merkwürdigsten dieser Begehren dann doch wieder komplett überwältigen und inszeniert zum Beispiel in einer Rückblende eine Verführungsszene in einem hochartifiziellen Studiosumpf (ein wenig erinnert der Moment an Under the Skin).

Ein Meisterwerk.