Thursday, May 15, 2014

The Legend of Hercules, Renny Harlin, 2014

Dass mir der Film gefallen könnte, hatte ich geahnt. Ich wollte aber lange nicht glauben, wie gut er tatsächlich ist. Von der ersten Einstellung, einem tracking shot (beziehungsweise: der CGI-Attrappe eines tracking shots), der unter Wasser beginnt, dann auftaucht, übers Meer gleitet, in eine antike Zauberwelt hinein, hatte ich schon gehört. Wunderbar, wie da offensiv die Künstlichkeit, das Gemachte ausgestellt wird: als etwas, mit dem man etwas machen kann. Dass die nächsten Szenen, der Prolog, der Hercules' Empfängnis und Geburt zeigt, dann auch hochgradig inspiriert gefilmt ist, in rasch auf- und zugefalteten 3D-Tableaus, und außerdem mit einer gehörigen Portion erotomanem Wahnwitz (in der Empfängnisszene...) unterfüttert ist, war für mich auch noch kein Garant: vielleicht ja nur ein Strohfeuer, das bald jenem allerhöchstens altmodisch braven, eher fürchterlich öden Sandalenfilmchen weicht, als den die Kritik The Legend of Hercules besprochen hat. Nicht die Bohne. Es geht einfach immer so weiter: Ein großartiges set piece reiht sich an das andere, die Gefühle überschlagen sich, fressen den plot samt Logik bald komplett auf. Was doch schief geht, geht nicht auf öde, sondern auf spektakuläre Weise schief; vor allem die Farbskalierung scheint immer wieder aus dem Ruder zu laufen. Aber das auch nur, weil Harlin eben nicht auf Nummer sicher geht, weil er jede Szene neu und eigen einfärben möchte. Wie Mario Bava.

Ein durch und durch exzentrischer Film.

Faschistischen Muskelblödsinn wie die 300-Filme oder zuletzt auch Lone Survivor zu fetischisieren, bzw als queer camp umzudeuten, leuchtet mir nicht so recht ein (was nicht heißen soll, dass ich mich in Fetische fremder Leute einmischen möchte...). Das sind so fürchterlich funktional gedachte Bilder, dass sie höchstens als Pornoersatz funktionieren können. Und es ist ja nicht so, dass es heutzutage schwer wäre, echte Pornos aufzutreiben... The Legend of Hercules dagegen ist in vielen Szenen einfach nur schwules Kino, ganz ohne camp und Porno. Und zwar in den Szenen mit Lutz und Liam McIntyre. Wenn sie nach ihrer Gefangennahme mit nacktem Oberkörper Rücken an Rücken beisammen sitzen, während die Kamera sie umkreist, um die beiden herum weitere nackte, erschöpfte bis tote Männerkörper. Beide haben wie Vieh in Western mit dem Eisen Zeichen auf den Oberkörper gebrannt bekommen, schon das stiftet eine Verbindung. McIntyre verschluckt während des Gesprächs Tränen. Wenn dann später Lutz wieder und wieder für McIntyre kämft, in den diversen Arenen, erst im Wasser, dann auf Felsen über Abgründen, schließlich, nachdem er seinem Gefährten die Freiheit ermöglicht hat, in einem waschechten Stadion vor CGI-Publikum.

McIntyres als Sotiris ist eh der größte Glücksfall in einem rundum fantastischen cast. Selten habe ich einen so verletztlichen, empfindlichen, expressiven Mann auf der Leinwand gesehen, ziemlich sicher noch nie eine derart antiheroische Figur in einem Muskelfilm. Jede Geste ist immer gleich schon Ausdruck; deren schönste vielleicht das Aufjaulen nach einem gewonnenen Gladiatorenkampf, neben ihm der im Schlamm ertrunkene Gegner, von dem er sich, scheint er zu erkennen, nur in einer einzigen Hinsicht unterscheidet: Er atmet noch. Eigentlich braucht es noch nicht einmal eine Geste, es genügt, wenn er einfach nur bedröppelt dasteht, mit seinem Bart auf dem dünnen Gesicht. Auch das Gespräch mit seinem komisch geisterfilmartigen Sohn ist ein Kinoglücksmoment.

Nicht nur McIntyre bricht die Stimme weg, in jener Szene, in der er Lutz eigentlich seine Liebe gestehen müsste, wenn das denn erlaubt wäre im Mainstreammoralkino. Auch viele andere Stimmen sind brüchig: Die der Seherin, die Hercules das Vertrauen zu seinem Göttervater lehrt, die von Hercules' Mutter, wenn sie an ihrem Schicksal verzweifelt. Sogar Lutz selbst: Seine rauhen Schlachtenrufe am Ende sind vermutlich martialisch gemeint, anstatt an 300 musste ich aber eher an Aldo Rays fragil anmutende Stimmbeschädigung denken. (Vielleicht passt das eh: Lutz als neuer Aldo Ray, er muss einfach mal ein paar Wochen lang das Fitnessstudio ausfallen lassen...) Um wieviel toller ist dieser Hercules auch als die Superhelden der letzten Jahre: Zum Übermenschen wird er nicht durch den inneren Willen zur Macht, sondern einfach durch die geborgte Kraft der Götter. Die sie ihm auch jederzeit wieder nehmen könnten, das sieht man besonders deutlich gerade in jener Szene, in der er auf dem Höhepunkt seiner Fähigkeiten angekommen ist und mit einem Blitzschwert die Widersacher niedermäht: er hat diesen wild und eindeutig etwas zu chaotisch rotierenden Spezialeffekt nicht so recht unter Kontrolle.

Das eine große Problem, das der Film hat: Die Frauen werden an den Rand gedrängt, sie sterben durchs Messer, während Umarmungen. Umarmen und Erstechen fällt in eins: Das ist, was von der heterosexuellen Liebe bleibt. Zumindest am Königshof. Die Liebe von Hercules und Hebe ist anders, sie hat ihren Platz abseits der Gesellschaft, im Wasser, im Wald (und es gibt noch die göttliche Liebe, die Liebe der Mutter im Bett mit den flatternden Vorhängen...), aber selbst Hebe, selbst Gaia Weiss mit ihrer voluminösen Frisur, die in einer der trotzdem schönsten Sexszenen des Kinojahres vibrierend unter Lutz liegt und ihm an der Lippe nagt, wird immer wieder abgedrängt, beibt wenn es darauf ankommt doch immer oben am Burgeck stehen, wenn die Männer losziehen. Ein Möglichkeitsfenster scheint sich in jenem Moment zu öffnen, in dem der Film ihr, wie sie wieder einmal dort oben steht, eine Subjektive gönnt. Aber man sieht in diesem Moment auch: Selbst wenn sie handeln dürfte, sie könnte doch nichts anderes tun, als in den Tod zu springen.

Kaum zu glauben, dass gleich zwei Sandalenfilme die bislang mit Abstand besten Hollywoodfilme des Jahres sind. Auf Anhieb tue ich mich sogar schwer damit, zu entscheiden, ob mir Pompeii besser gefällt oder The Legend of Hercules. Es wird am Ende wohl doch auf den Film von Anderson hinauslaufen, den ungleich klügeren und radikaleren der beiden (und schon auch den technisch besseren; die Kampfszenen bei Harlin sind zwar ehrlich und brutal, aber auch etwas eintönig). The Legend of Hercules ist romantisch aufbrausend, wo Pompeii slow burning relaxed bleibt (nur, um einen dann mit den tracking shots der Katastrofenszenen umso härter zu treffen). Und wo Pompeii eine sich stets kognitiv navigierbar anfühlende Welt Baustein für Baustein aufbaut (nur, um sie dann umso gründlicher wieder einzureißen), sind die Verbindungen zwischen den Schauplätzen bei Harlin maximal locker, die Übergänge oft traum- und schockartig.

Das 3D ist tatsächlich besser als in Pompeii. Vielleicht das beste (zumindest das beste seiner Art, also das beste, das offensiv vorgeht) seit Resident Evil 4. Besonders toll die Szene, in der Hercules mithilfe seiner Handfesseln zwei Felsblöcke wider seine Gegner und das Publikum schleudert: Das kann die 3D-Technik eben auch: Einen mit völlig unbehauener Wucht zermalmen. Am Ende blickt Lutz in den Himmel, der Sternenhimmel ist ebenfalls dreidimensional modelliert. Als am hellsten leuchtender Stern taucht dann, völlig zu Recht, ein Name auf: Renny Harlin.

Es lohnt sich, diesen Film anzusehen. In der originalen Sprachfassung, in 3D und im Kino, solange das noch geht, bevor die DCPs demnächst in den Mülleimer geworfen werden.

There is no such thing as bad cgi.

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