Friday, January 31, 2014

Leichtmatrosen & Leichtmatrosen 2, Franz Müller und Rainer Knepperges, 2010-2012

Im schönen ersten Leichtmatrosen-Film, der in Marrakesch spielt, gibt es eine schöne Kamerabewegung: Oben, am offenen Fenster (oder einer Veranda?) unterhalten sich zwei Frauen über die beiden Männer, von denen sie sich in deren Unterkunft haben einladen lassen; dann schwenkt die Kamera nach unten, die beiden Männer stehen nebeneinander im Türeingang, still und aufmerksam, komplizenhaft. Sie hören da also das für sie wenig vortheilhafte (wobei immerhin klar wird, dass Sex nicht ausgeschlossen ist) Gespräch mit an, das die beiden über sie führen, und als dann gleich darauf wieder alle vier beisammen sind, macht einer der beiden Männer eine Bemerkung über die dünnen Wände der Wohnung, in der sie sich befinden, aus der zu schließen sein soll, dass sie zugehört haben und also Bescheid wissen. Weil auf die Andeutung keine Reaktion erfolgt (oder vielleicht eher: weil er von Anfang an nicht so recht wusste, was er mit der Andeutung ausrichten will), muss er das dann aber doch noch einmal ausformulieren: "Das soll heißen, wir haben gehört, was Ihr über uns geredet habt". Erst durch diesen Nachsatz wird klar, dass in den Film eine Differenz eingeführt wurde, die nicht mehr wegzubekommen, sondern nur noch zu verfeinern, das heißt auch: immer wieder neu auszuformulieren, auszuspielen ist, weil alles nur noch unter bestimmten Vorbehalten gesagt und getan werden kann. Ab diesem Moment werden die Leichtmatrosenfilme zu Verzögerungsmaschinen.

Der noch schönere zweite Leichtmatrosenfilm spielt in Kreuzberg, erst im und beim Görlitzer Park, später vor allem am Kottbusser Tor. Die Differenz ist diesmal von Anfang an da: Wir wissen nicht, was zwischen den beiden Filmen passiert ist, und die beiden Männer, die die beiden Frauen besuchen kommen, wissen es auch nicht so recht. Wir finden es vor ihnen heraus. Und wissen deshalb auch vor ihnen, dass es eigentlich gleich beiden Frauen nur um einen der beiden Männer geht. Der andere ist der, der auch noch mitkommt: eine Verzögerungsmaschine. Außerdem hat er seinen Matrosenanzug nicht dabei, weil der beim Waschen eingeschrumpft ist. Sagt er.

Der zweite Film ist noch freier als der erste, weil er dessen Vorgaben nicht als Beschränkungen begreift, sondern als Aufforderung für einander konversationell überbietende Variationen. Wo der erste Film noch eher pflichtschuldig Menschen mit Beschäftigungen und halbwegs nachvollziehbaren Motivationen ausgestattet hat, erfindet der zweite fröhlich Biografien, die eine Frau hat ein Kind, der eine Mann erzählt bald darauf von zwei weiteren Kindern, neuartige Berufe und Restaurants werden vorgestellt und erklärt.

Es gibt eine wunderbare Einstellung im Görlitzer Park, in der sich der eine Mann im Bildhintergrund dem anderen mit dem Kopf in den Bauch bohrt, beide über den Rasen kullernd, während die beiden Frauen sich im Bildvordergrund mit einer weiteren Bekannten über feuchte Küsse unterhalten.

Die zentralen Szenen spielen im Cafe Kotti. Gespräche in verschiedenen Konstellationen am Tisch, der außen, auf einer Art Veranda platziert ist, von der aus man zwar nicht das gesamte Kottbusser-Tor-Areal überblickt, aber doch (und das ist eigentlich noch besser) einige Straßenausschnitte wie kleine Bühnen beobachten, und eben auch filmen kann, ohne, dass die Passanten etwas bemerken. Ein paar Minuten lang zieht sich da alles zusammen, plot points, Grimassen, Blickachsen, die gleichzeitig verbinden und trennen, Parallelmontagen, Beziehungstaktiken, die ausgearbeitet, aber dann doch nicht wirklich in Handlung übersetzt werden. Weil sich der Film doch wieder anders entscheidet, das Tempo wechselt (und auch wieder eine Musiknummer braucht). Sich neue Formen der Verzögerung ausdenkt, die umso elaborierter werden, je weniger klar ist, was da eigentlich verzögert wird.

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