Monday, January 27, 2014

Denk bloß nicht, ich heule, Frank Vogel, 1965

Ein Film in Scope und wundervoll atmosphärischem Orwo-Schwarz-Weiß, das den Konturen dezent aufweicht, das schon von selbst zum Flächigen tendiert (die Inszenierung macht das dann auch und noch mehr), das auch kein eigentliches, hartes Schwarz kennt, nur verschiedene Schattierungen von anrührendem Grau; ein wenig sehen die Bilder nach vergilbten Fotografien aus, aber ohne, dass da auf Vintage-Effekte spekuliert würde: es geht da einfach um eine Welt, die sich ihrer eigenen Gegenwärtigkeit nicht so ganz sicher ist.

Die Hauptfigur ist Peter Neumann, was Statur, leicht krummes Auftreten und lässige Intonation angeht, könnte er auch einem Münchner Film derselben Zeit entstammen. Mehr noch als in Die Taube auf dem Dach darf sich da jemand, wenn auch stets nur einige Einstellungen lang, der ziellosen Wurstigkeit hingeben (wobei "Freundschaft!" als Aufreißspruch gewöhnungsbedürftig bleibt). Wahrscheinlich steckt in dem Film genau so viel Wurstigkeit, wie im Produktionsapparat möglich war. Und ein bisschen mehr Wurstigkeit, als im Kinovertieb dann erlaubt war - auch Denk bloß nicht, ich heule habe ich in der Verbotsfilmreihe im Zeughaus gesehen (das bößartige Nachtreten der Defa-Stiftung im einführenden Titel ist zwar verständlich, nervt mich aber trotzdem genau so weit, wie es die diversen Zensurinstanzen im gegenwärtigen nichtmehrganzsosehrStaatskino leugnet).

Mehr als in Die Taube auf dem Dach kommt der Wurstigkeit schon vor der Zensur die Sprache des Drehbuchs in die Quere. Eine sehr literarische Sprache, gerade in der ersten Szene, mit dem Vater, der den Hedonismus geschliffenst predigt - und irgendwie funktioniert das in dieser Szene sogar ganz gut, weil man an der Ausgesuchtheit der Formulierungen merkt, dass sie nicht auf Lebenserfahrung basieren, sondern einer sehr kleinbürgerlichen Idee vom guten Leben entspringen (das vor allem quantifizierbar sein muss). Peter Neumann übernimmt das, und genau deswegen kommt sein antiautoritärer Affekt nie so recht zu sich selbst: Weil er dem staatlichen Übergriff nicht seine unantastbare Innerlichkeit, sondern nur seinen Anspruch auf mehr vom Kuchen entgegen stellt. Freilich tut er einem genau deswegen umso mehr leid, als doppelt Verformter: vom Staat, dessen Verfügungsgewalt er grundsätzlich schon anerkennt, und vom Warenfetisch, den er in einer Art verabsolutiert, wie er das in einem kapitalistischen System vermutlich nie gekonnt hätte, weil er da mit der in alle Versprechen immer schon eingeschriebenen Enttäuschung konfrontiert worden wäre.

Anne, in die er sich verliebt, ist eine enttäuschend klarsichtige Musterstaatsbürgerin, die nur beim Nacktbaden Schwäche zeigen darf.

Immer steht, das irritiert mich in fast allen Defa-Filmen, das Verhältnis zum Staat auf dem Spiel. Weil der Staat nicht nur ein Behälter, ein Gemeinwesen, sondern ein Projekt ist, oder zumindest einmal war. Denn das ist das Problem: Die Jüngeren sehen das Projekt nicht mehr im Staat, beziehungsweise sie sehen nur noch den Vermittlungsapparat, den es gar nicht bräuchte, wenn das Projekt funktioniert hätte.

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