Friday, April 12, 2013

Love Lifting, Herman Yau, 2012

Solange das Hongkongkino noch solche Filme hervorbringt, kann es nicht ganz schlecht um es bestellt sein: Eine Gewichtheberin, die nicht aussieht, als wäre sie eine, die dafür aber ihr Gesicht beim Gewichtheben umso mehr anspannt, muss den Sport wegen Diabeteserkrankung aufgeben, verdient dann als "strong girl" der Nachbarschaft ihr Geld mit Gelegenheitsarbeit (Umzugshelferin, Eisbrocken schleppen im Fischmarkt; daraus wird keine Abstiegserzählung, jeder Job hat Härten und kleine Schönheiten), heiratet einen Mann, der, als sich ihre sportlichen Ambitionen nach dem ersten Kind zurückmelden, auf seine Karriere verzichtet und ihrem Comebackversuch als Hausmann (wieder: Härten und kleine Schönheiten) den Rücken frei hält.

Das ist fast die gesamte Geschichte, die den dramaturgischen Modellen des Hollywood-Sportfilms im Großen und Ganzen folgt; die da, wo es drauf ankommt, im Kleinen und Partikularen, allerdings genug Freiräume bietet für andere Anschlüsse. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, ob der Name der Gewichtheberin - Li Li - nicht etwas zu tun haben könnte mit Li Lili, einer Schauspielerin des klassischen chinesischen Kinos der 1930er-Jahre. Einer der bekanntesten Filme der stets großartig agilen Li Lili (ihr Vitalismus als eine Art Gegenpol zum Todestrieb Ruan Lingyus) war Queen of Sports von Sun Yu, in dem sie eine Art aufgeklärt heroischen Athletizismus verkörpert, den die Gewichtheberin Li Li weitgehend entheroisiert übernimmt, in eine kleinbürgerlich-kapitalistische Lebenswelt und in ein Kino des humanistischen Alltagsrealismus übersetzt. Sehr wahrscheinlich, dass das ein bloßer Zufall ist; vielleicht aber: ein sprechender.

Es gibt dann nur noch, nach zwei Dritteln, ein Schockmoment von einer Drastik, wie sie nur das Hongkongkino kennt. Und nur dem Hongkongkino kann es gelingen, einen solchen Schockmoment in den Alltagsfluss wieder zu integrieren; nicht dass er spurenlos verschwinden würde, er hat sogar eine wichtige Funktion fürs Finale, wird allerdings nicht zu dem einen großen Trauma, das in Zukunft das gesamte Leben der Gewichtheberin verdunkeln wird.

Love Lifting ist ein Film, der seinen Figuren ein paar Eigenschaften zuschreibt - die Gewichtheberin zum Beispiel liebt es, Gewichte zu heben; der jedoch nicht meint, sie bei jeder Gelegenheit psychoanalysieren zu müssen - warum die Gewichtheberin Gewichte heben möchte, bleibt ihr Geheimnis. Bzw eben gerade nicht; der Film interessiert sich nicht fürs Innere, sondern für die Interaktionen mit der Welt, die im Individuum einen Resonanzraum finden, der nicht immer gleich Seele genannt oder traumatisch aufgeladen werden muss. Ein helles Auflachen, ein verliebter Blick reichen aus, um aus den Figuren mehr zu machen als Erfüllungsgehilfen des Drehbuchs.

Wie das in einer lebendigen kommerziellen Kinematografie fast stets der Fall ist, muss man die eine oder andere Unreinheit in Kauf nehmen. Die süßlichen Popsongs zum Beispiel. Und wie das in lebendigen kommerziellen Kinematografien oft der Fall ist, sind in einem guten Film drei oder vier andere, eventuell noch bessere versteckt; weil es einen Überschuss an Lebenswelt gibt, der von einem einzigen Film nicht eingeholt werden kann. Zum Beispiel würde ich sehr gerne einen eigenen Film über die "strong girl"-Episode sehen und  über den Flirt mit dem naiven bad boy, der die Gewichtheberin für seine bislang und wohl auch weiterhin imaginäre Triadenkarriere instrumentalisieren möchte.

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