Wednesday, October 06, 2010

Resident Evil: Afterlife, Paul W.S. Anderson, USA

Der beste Hollywood-Actionfilm 2010 (naja, hierauf muss man natürlich noch warten, bevor man den Titel endgültig verleiht) hat vieles gemein mit dem besten Hollywood-Actionfilm 2009. Wie James McTeigue geht es auch Paul W.S. Anderson zuerst darum, jede einzelne Szene seines Films so aufregend wie möglich zu gestalten. Die Bässe pumpen fast durchgehend, auch die 3d-Effekte bleiben zuerst Effekte und zielen nicht auf ein intensiviertes world building: Messer fliegen in den Zuschauerraum, Regen perlt schon von den Schriftzügen der Credits plastisch in Richtung Sitzbank. Dem Primat des Styles muss sich alles andere beugen: Vorlagentreue, smarte In-jokes, Figurenzeichnung, die über das notwendige Minimum hinausginge. Natürlich muss das Franchise weitergehen, deswegen ist das Ende nicht ganz stimmig, passt nicht wirklich in die Eigenlogik des Films. Dennoch will Resident Evil: Afterlife stets zuerst ein gut funktionierendes B-Movie sein und erst danach eine intertextuell korrekte Computerspielverfilmung. Eigentlich ist es ein kleines Wunder (und vermutlich auch ein wenig dem 3d-Bonus zu verdanken), dass ein solch altmodisches Konzept an den Kassen Erfolg hatte und hat.
Gleichzeitig hat die Art der szenischen Inszenierung in beiden Fällen etwas von einer ehrlichen, sportlichen (vielleicht tatsächlich: materialistischen) Selbstbeschränkung: Anderson und McTeigue zeigen zuerst einen Raum, dann zeigen sie die Akteure, die sich im Raum befinden (beziehungsweise zeigen sie manchmal auch die Unsichtbarkeit einzelner Akteure), dann lassen sie Raum und Figuren miteinander reagieren und zwar auf eine zwar möglichst spektakuläre, aber dabei doch noch folgerichtige Art und Weise. Dennoch ist Resident Evil: Afterlife ein um einiges klassischerer Film als McTeigues posthumanistische Übung und insgesamt eher John Carpenter als Robert Bresson (Ninja Assassin als High-Tech-Variante von Lancelot du Lac) verpflichtet.
Die Festung inmitten LAs, in der eine Handvoll Einzelkämpfer dazu gezwungen werden, gemeinsam ums kollektive Überleben zu kämpfen, evoziert sehr unmittelbar Assault on Precinct 13, Escape from New York und Ghosts of Mars. Eine bei allem Oberflächenzauber klassische Spannungsdramaturgie zerteilt den einen, großen Raum in mehrere kleine, deren lokale Dynamiken und Perspektivierungen in schnellen, aber nie chaotischen Parallelmontagen verschaltet werden. Einige eigentlich nicht ganz zulässige Shortcuts gibt es, zugegeben (einer führt wieder einmal durch den Lüftungsschacht), aber die Gruppenbewegungen durch die Räume bleiben fast immer stimmig und im Framing nachvollziehbar.
Erstaunlich ist auch, wie unangefochten Milla Jovovich das Franchise inzwischen dominiert. Im neuen Film ordnet sich auch ein Wentworth Miller, der in seiner korrekten Prison Break-Rolle als Gefängnisausbrecher eingeführt wird und der mit seiner Statur und seiner Gestik einen Actionfilm dieser Größenordnung auch durchaus alleine stemmen könnte, wie selbstverständlich hinter Jovovichs Alice gemeinsam mit der auch wieder sehr guten Ali Larter in der zweiten Reihe ein. Man vergleiche Jovovichs minimalistische Souveränität (stylisch aussehen IST Ausdruck und Ausdruck genug) und Andersons inszenatorische Nonchalance nur einmal mit dem Aufwand, den Salt oder Wanted (beides auch okaye, beziehungsweise im zweiten Fall mehr als nur okaye Filme btw) in Angelina Jolie investieren, um sie als Action-Heldin salonfähig zu machen. Die Form des B-Films ist geschlechterblind (Hongkong weiß das schon lange), der Sexismus kommt von außen und oft von kulturell angeseheneren Sphären.

1 comment:

rrho said...

Sehr d'accord, auch wenn mich der Film persönlich nicht ganz so begeistert hat - es gibt, gerade im ersten Drittel, doch einige sehr überflüssige Sachen (das Videotagebuch insbesondere) und reichlich Inkonsistenzen, die mich eher aus dem Film herausgerissen haben.

Und was die Geschlechterblindheit des B-Films angeht: Da bin ich skeptisch. Zwar kennt das westliche B-Kino inzwischen auch einige Actionheldinnen - wie man es, da hast Du ganz recht, aus Asien schon viel öfter und selbstverständlicher kennt -, aber mein Eindruck ist doch, daß diese Figuren nicht in einem geschlechterpolitischen Vakuum existieren, sondern im ganzen Spektrum zwischen gleichberechtigter Protagonistin bis sexistisch angelegtem Eye Candy oszillieren.

Salt fand ich in dieser Hinsicht recht großartig, weil er Angelina Jolie in keinem Moment auf klassische Frauendarstellungen zu reduzieren bereit war.