Wednesday, September 15, 2010

Glas

Nur eine Glaswand trennt in den Tiefen des Sony Centers am Berliner Potsdamer Platz das Kino Arsenal von einer auf originalsprachliche Versionen spezialisierten Cinestar-Filiale. Ich halte mich auf beiden Seiten der Glaswand ungefähr gleich häufig auf. Wenn ich im Arsenal-Foyer sitze und auf den Beginn des Einlass warte, so kann ich mich fast nie des Gefühls erwehren, dass ich eigentlich auf der falschen Seite der Wand sitze. Oder zumindest, dass irgendwas nicht stimmt. Zum Beispiel, dass eigentlich die falschen Filme auf der falschen Seite der Wand laufen. Oder auch, dass die falschen Leute sich auf der falschen Seite der Wand befinden und nur ich zufällig am richtigen Platz bin. Auf jeden Fall verwirrt es mich jedes Mal, wie wenig diese beiden Räume, die da, einander weitgehend einsehbar, nebeneinander liegen, miteinander zu tun haben wollen. Natürlich muss ich meiner instinktiven Vorliebe für den und Sehnsucht nach dem stylisch-kitschig-mondän-abgeschmackten Cinestarraum misstrauen. Und erst recht der Tatsache, dass ich, wenn ich mich auf der anderen Seite befinde, weitaus seltener in Richtung Glasscheibe blicke und ich weitaus weniger stark das Gefühl habe, dass etwas nicht stimmt, dass ich mich ganz im Gegenteil meist sehr wohl in meiner Haut und in Einklang mit meiner Umgebung fühle. Aber dieses Misstrauen bewirkt nichts anderes als eine Intensivierung des Problems. Zwei Räume, die zusammen gehören sollten, weil Film Film ist und weder Hierarchien kennt noch sich um Fragen, die der Soziologie angehören, scheren sollte, zwei Räume, die aber nicht zusammen kommen können, weil am Potsdamer Platz und auch sonst fast überall Film nicht Film sein darf, sondern entweder Kunst oder Unterhaltung werden muss. Die naheliegende Lösung wäre, die Glasscheibe zu entfernen, oder wenigstens die Tür zu öffnen, doch wenn letzteres geschieht, wie alljährlich während der Berlinale, fühlt sich alles erst recht falsch an, nicht wie eine Versöhnung, sondern wie eine Zweckgemeinschaft, die auf dem Ausschluss des Eigentlichen gleich beider Orte basiert.

1 comment:

orcival said...

Mmh, warum gleich nochmal sollte sich Film nicht um Fragen der Soziologie scheren?
Egal, jedenfalls eine klare Trennung markiert die Glaswand: die Bezahlung des "Personals" und dessen Behandlung dürfte in CineStar und Arsenal wohl doch sehr unterschiedlich sein. Von anderen ethischen Fragen ganz zu schweigen. Dennoch: stimmt es natürlich, dass die Glaswand weg muss.
Nächstes Wochenende bei der Werkschau der dffb wird man das Problem wohl wieder mal in ganz besonderer Dringlichkeit zu spüren bekommen...