Tuesday, May 04, 2010

Johnny Apollo, Henry Hathaway, 1940

Ein weiterer sehr schöner früher Hathaway, ein Noir avant la lettre. Die Action ist weniger dynamisch als in den Abenteuerfilmen, dafür sehr hart, konfrontativ, Gesicht auf Asphalt, Schuhe auf Finger. Viele Gitterstäbe, Gitterstäbe, die ihren Ursprung im Gefängnis haben, die sich aber als Schattenmuster, Treppengeländer etc im gesamten Film einnisten.
Edward Arnold und Tyrone Power sind ein großartiges Vater-Sohn-Paar. Arnold, der Vater, hat es durch harte Arbeit nach oben geschafft, ein blue-collar-Mann, der in der Finanzwelt angekommen ist (diese Finanzwelt selbst taucht genau in einer Einstellung auf, in der zweiten des Films: Broker, soweit das Auge reicht, Lärm und durch die Luft fliegende Aktienpakete; da kann nichts Gutes bei rauskommen; jede Menge Weltwirtschaftskrisenparanoia steckt selbst noch in diesem Film aus dem Jahr 1940) und dort zwar betrügt, aber auf geradlinige, handfeste Art und Weise. Der es auch völlig selbstverständlich findet, dass er schließlich für den Betrug ins Gefängnis muss. Ein massiger Mann, der im Gefängnis wieder ganz emphatisch zum Arbeiter wird. Ein schweißgebadeter Arbeiter am Metallgerät, handfester geht's nicht:

Direkt darauf: Schnitt auf den Sohn, schon dessen eingedrehte Körperhaltung zeigt, erst recht im Vergleich zur frontalen Präsenz des Vaters, dass hier etwas nicht stimmt.

Tyrone Power ist white collar, Geld der zweiten Generation. Und er findet nie so recht ein Verhältnis zu dem, was er tut, ob er nun rudert oder Köpfe gegen den Asphalt hämmert. Die imdb-Kommentare beschweren sich, dass man Powers weichen Gesichtsügen den Mobster, der er bald darauf werden wird, nicht abnimmt. Eher könnte man sagen, dass er ein wenig zu selbstreflexiv ist, bei allem was er tut. Ihm fehlt die Geradlinigkeit seines Vaters, die Fähigkeit, Räume, soziale Situationen und Menschen als reine Potentiale zu sehen, die man instrumentalisieren kann - und zwar jeweils situationsgebunden. Der Sohn verstrickt sich bei seinem Versuch, den Vater aus dem Gefängnis zu befreien, schon gleich am Anfang im Netz der Gangster. Die Kriminalität nicht als Mittel zum Zweck, sondern als Melodrama in Nachtclubs und auf Pferderennbahnen. Die Situation überfordert ihn. Ein Blick von Dorothy Lamour genügt. Dabei wird die Beziehung der beiden nie allzu sinnlich. Es ist nicht so, dass ihn die Femme Fatale in den Abgrund reißen würde, sie ist nur Teil eines komplexen Netzwerks, in dem er lediglich ein weiteres Element wird. Sein Weltbezug bleibt unsicher, er versteht es nicht, von der konkreten Situation aufs Allgemeine zu abstrahieren. Hathaway, der immer zuerst Filme über Individuen im starken Sinne dreht und der sich konsequent weigert, seine Figuren zu bloßen Platzhaltern in einer Drehbuchökonomie (eben diese Drehbuchökonomie kommt immer erst nach den Individuen) zu degradieren, interessiert sich auch für diese, ganz spezielle, eher negativ definierte Art von Eigensinn.
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Und noch einmal Weltwirtschaftskrise: Dorothy Lamour tanzt und singt in zerfetzten Kleidern für Nickels and Dimes.

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