Tuesday, March 09, 2010

Assembly, Feng Xiaogang, 2007

Ein kompetent gemachter Kriegsfilm über den chinesischen Bürgerkrieg ist Feng Xiaogangs Assembly in der ersten Hälfte. In der Anfangsszene dringt ein Battaillon kommunistischer Kämpfer in eine von Nationalisten besetzte Stadt ein. Die Aufklärung der Angreifer wird attackiert, bei der Gelegeneheit springt die Perspektive plötzlich um, im harten, blutigen Gefecht, das darauf folgt, macht sich die Kamera immer wieder gemein nicht mit einer Kriegspartei oder einzelnen Individuen, sondern mit den Waffen beider Seiten. Ich kann mich an keinen Kriegsfilm erinnern, der in seinen Kampfszenen so sehr vom Rhythmus und der Perspektive der Schusswaffen selbst - und nicht deren Auswirkungen auf die Soldaten - bestimmt ist. Lieblingsperspektive: direkt neben der Kamera, Lieblingsmontage: feuernde Waffe / Kugeleinschlag.

Dabei bleibt der Film in seiner ersten Hälfte durchaus nah an amerikanischen Vorbildern. Ein klassisches combat-Film-Setting eigentlich: Eine kleine, schon stark dezimierte Einheit muss eine Kohlemine gegen die anstürmenden, zahlenmäßig deutlich überlegenen Nationalisten verteidigen. Die Einheit wird immer kleiner, ihre einzelnen Mitglieder vom Film immer deutlicher individualisiert. Selbst die Kampfszenen funktionieren im Lauf des Films subjektzentrierter, eine Szene übernimmt eins zu eins den Hörsturz aus Saving Private Ryan.
Das überraschende an der Sache ist allerdings, dass der (sicherlich in mancher Hinsicht äußerst ideologiegesättigte - ich kenne mich mit der chinesischen Geschichte noch zu wenig aus, um das angemessen beurteilen zu können) Film nach der Hälfte seiner Laufzeit noch einmal von neuem beginnt. Die gesamte zweite Hälfte greift eine Szene auf, deren Bedeutung zunächst nicht erahnbar ist: Auf dem Weg in die Mine und den fast sicheren Tod blickt Gu Zidi, der Anführer der Kompanie, zurück, in Richtung Kamera. Ein Gegenschuss bleibt aus, entscheidend ist die Geste des Innehaltens. Der zweite Filmabschnitt ist dann eine Prolongation dieser Geste, die mit dem Geist des chinesischen Bürgerkriegs, der in seiner Hast keinen Platz fürs Opfergedenken ließ, eigentlich unvereinbar ist.
Nur dieser Anführer der Kompanie, Gu Zidi, hat, so erfährt man, den Kampf überlebt und auch nur, weil er sich mit einer gegnerischen Uniform tarnte. Seine ihm anvertrauten Soldaten wurden nicht nur von feindlichen Kugeln entindividualisiert und unter den Trümmern der Mine verschüttet, außerdem ist seine ganze Kompanie in der chaotischen Buchführung des Heeres verschwunden. Zunächst glaubt man ihm weder seinen Namen, noch die Geschichte seines Kampfes.
Den restlichen Film über wird Gu damit beschäftigt sein, Erinnerungspolitik zu leisten. Und Erinnerungspolitik heißt an einer Stelle ganz buchstäblich: im Kohlestaub nach Leichen graben. Die Geschichte hat den Soldaten ihre Subjektivität, ihre Namen (einmal steht Gu auf einem riesigen Friedhof voller unbeschrifteter Gräber), ihre persönliche Geschichte bereits Tage nach ihrem Tod komplett entrissen, Gu stemmt sich gegen diese Geschichte. Dem klassischen amerikanischen Kriegsfilm genügt eine Individuisierung: die in der Logik des Genres selbst enthaltene, die aus uniformierten Befehlsempfängern im Laufe von zwei Stunden psychologisch runde Charaktere formt. Die amerikanischen Opfer amerikanischer Kriege sind katalogisiert, namentlich erfasst, frei verfügbar für die Erinnerungspolitik. Die Toten des chinesischen Bürgerkriegs sind nicht unmittelbar verfügbar, es existieren keine Register, nur versprengte Familienerinnerungen, die mit dem Tod der Angehörigen auf immer verschwinden. Die einfache Individualisierung in einer Genrelogik reicht deshalb nicht nur nicht aus, sie wäre sogar eine Lüge (die durch die Evidenz des Maschinengewehrs in den Kampfszenen enttarnt wird). Statt dessen muss die Erinnerungspolitik selbst als Geste des Umwendens (gegen den Lauf der Geschichte) im Film figuriert werden.

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