Wednesday, February 17, 2010

Berlinale 2010: Solntse, Aleksandr Sokurov, 2005

Ich weiß nicht so recht zu sagen, was ich von Sokurovs Hirohito-Film Solntse (The Sun) genau erwartet hatte. Ich war dem Film über die Jahre eher unbewusst aus dem Weg gegangen. Nicht so recht vorstellen konnte ich mir, wie das denn aussehen soll: ein Historienfilm durchaus im engeren Genresinne von Sokurov (die Vorgängerfilme Telets und Molokh habe ich bis heute nicht gesehen; jetzt muss ich das wohl nachholen) und dann auch noch einer über eine Episode der japanischen Geschichte.
Ich weiß auch jetzt, nachdem ich den Film nun doch gesehen habe, nicht, ob ich ihn so ohne weiteres und rundum gut finden kann. Zumindest als, siehe oben, Historienfilm im engen Sinne, also als einer, der sich zumindest auch daran messen lassen muss, ob er sein historisches Sujet auf angemessene oder zumindest interessante Art zu fassen bekommt, ist er dann doch fast etwas plump geraten. Eventuell geht Sokurov sogar manchen Elementen der Tenno-Verteidiger auf den Leim. Aber da müsste man sich wohl ohnehin erst einmal die drei Filme zusammen ansehen, um Sokurovs historiografisches Projekt abschließend beurteilen zu können.
Interessant am Film ist in jedem Fall eine strukturelle Verschiebung. Der Beginn ist streng, antidramatisch, antipsychologisch, in seinen dunklen Bildern aus dem Palastinneren ruhend. Der japanische Kaiser Hirohito ist ein infantiles, zitterndes Zeremoniellbündel, beide Körper des Königs sind gleichermaßen am Ende, als er am Anfang seinen Tagesablauf vorgelesen bekommt (Frühstück, Politik, Marine Biology, Mittagessen, Abhängen), muss man befürchten, dass der Film genau dieses Programm mit abarbeiten wird. Tatsächlich gelangt der Film bis zur Marine Biology: Tenno schaut sich einen Krebs an und erzählt Schrott. Es gibt dann noch, etwas später, eine umwerfend fotografierte, extrem düstere Alptraumsequenz, in der die Kriegsschrecken für einen kurzen Moment in den Film eindringen. Da hat der Film bereits begonnen, sich zu verändern. Aber zuerst kommen die Amerikaner und sobald General McArthur auftaucht, verändert sich das anfängliche Setting ziemlich rapide.
Comic relief zieht Sokurov reichlich aus diesem Aufeinandertreffen. Der souveräne Amerikaner und das kaiserliche Wrack. Das sich allerdings, das ist das eigentlich interessante, im Laufe dieser Begegnung langsam transformiert. Das ewige Zittern der Lippen (ein Fisch auf dem Trockenen, der seine Lippenbewegungen nur im Ausnahmefall in Laute umzusetzen vermag) lässt nach, die Sätze werden artikulierter und zielgerichteter. Langsam aber sicher wird dieser Hirohito zu einem fast schon klassisch psychologisch motivierten Charakter. Ganz am Ende bekommt er sogar eine Liebesgeschichte spendiert. Und auf der Soundspur tauchen einfühlende Melodien auf. Kurzum: MacArthur verwandelt den hermetischen Proto-Sokurov Solntse vor unseren Augen in zumindest so etwas ähnliches wie einen Hollywoodfilm.

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