Saturday, November 22, 2008

Ananas Express / Pineapple Express, David Gordon Green, 2008

Dale Denton (Seth Rogen) und Saul Silver (James Franco) wollen Red (Danny McBride) zum sprechen bringen. Der Drogenzwischenhändler sitzt vor ihnen, auf denkbar unökonomische Weise mit circa 30 Meter Klebeband an seinen Stuhl gefesselt. Doch Red schweigt beharrlich. Schließlich hält Dale ihm eine Kaktus-Topfpflanze vors Gesicht. Ob diese Mikrophonersatz sein soll oder Folterdrohung, weiß keiner der Beteiligten, am allerwenigsten Dale selbst.

Komödien funktionieren im Kleinen, in der einzelnen Pointe, im komischen Detail oder gar nicht. Ananas Express funktioniert wegen Szenen wie der mit dem zweckentfremdeten Kaktus. Die Pointen sind knapp neben dem banal Alltäglichen platziert, wirken fast wie Improvisationen, stehen aber mit Sicherheit genau so im Drehbuch. Die vermeintliche Leichtigkeit ist, ebenso wie die aus ihr resultierende Lebensnähe in Wirklichkeit gleichzeitig perfektes Handwerk und - ja - große Kunst.

Dale und Saul wollen Red zum Sprechen bringen weil sie in der Klemme stecken. Dale ist Gerichtszusteller und ständig high. Den Joint in der einen, die zuzustellende Vorladung in der anderen Hand, beobachtet er eines abends einen Mord. Auf der Flucht vor den Killern, die den unliebsamen Zeugen aus dem Weg räumen möchten, verliert er den Joint. Diesen wiederum hat er bei Saul erstanden. Der ist sein Dealer und der einzige, der das Supergras „Ananas Express“ in Dales Heimatstadt verkauft. Und ausgerechnet der Mörder ist der Großhändler.

Urplötzlich werden Dale und Saul mit der gesamten Ökonomie des Drogenhandels konfrontiert. Dabei fühlen sich beide bereits am verhältnismäßig isolierten unteren Ende derselben nicht wohl. Dale versucht, den Kontakt zu Saul auf ein Minimum zu beschränken, während dieser sich selbst einredet, dass das Dealen nur eine Übergangslösung darstellt zum Traumjob Landschaftsarchitekt.

Zwischen Marihuannaschwaden und Kugelhagel lösen sich die Hierarchien auf und dadurch auch die Berührungsängste. Sobald ihre Beziehung zueinander nicht mehr vom Warenaustausch determiniert ist, werden die ehemaligen Geschäftspartner zu Buddys. Und als solche schlagen sich Dale und Saul erfolgreich durch Autoverfolgungsjagden, Schießereien und Liebesgeschichten aller Art. Dass mindestens einer der beiden immer etwas zu rauchen dabei hat, macht die Sache nicht einfacher. Das Finale ist dann reiner Comic, irgendwo zwischen Tarantino, John Woos Hard Boiled und Star Wars.

Judd Apatow hat als Produzent, bisweilen auch als Drehbuchautor und Regisseur bereits einige Komödiensubgenres einer sanften Frischzellenkur unterzogen, den High-School-Film beispielsweise (Superbad), die Romkom (Beim ersten Mal) oder die Genreparodie (Ricky Bobby – König der Rennfahrer). Mit Ananas Express wendet er sich dem Kifferfilm zu, der in den Siebziger und Achtziger Jahren mit den Cheech-&-Chong-Streifen seine größten Erfolge feierte. Wie andere Apatow-Produktionen auch ist Ananas Express keine Negation bewährter Formen, sondern der Versuch, diese mit ein wenig lebensechteren Figuren und Schauplätzen zu konfrontieren.

Ananas Express besticht primär durch ein Fülle liebevoll gezeichneter Charaktere auch jenseits der beiden Hauptfiguren und ihres unmittelbaren Umfelds. Selbst der Bösewicht, verkörpert von Gary Cole, der aus der Polit-Fernsehserie The West Wing als unglücklich agierender Vizepräsidenten „Bingo“ Bob Russell bekannt ist und hier eine wunderbare Christopher-Walken-Imitation abliefert, ist mehr als nur eine Schießbudenfigur.


Ananas Express ist ein Film aus der Mitte des Mainstreamkinos, ein Film, dessen Qualitäten nicht im Singulären, nicht in der originellen Vision eines Künstlersubjekts ihren Ursprung haben, sondern im über Jahre akkumulierten kollektiven Wissen der Genrefimproduktion. Dennoch überrascht an dieser Produktion ein Name, und zwar der des Regisseurs. David Gordon Green galt nach seinem phänomenalen Erstling George Washington aus dem Jahr 2000 als neues Wunderkind des amerikanischen Kinos. Das Debüt des damals 24-jährigen entwarf in glasklaren, leuchtenden Bildern die von einem traumartigem Glanz überfärbte Lebenswelt einer Gruppe vorwiegend schwarzer Jugendlicher in einem heruntergekommenen Arbeiterviertel des amerikanischen Südens. Seither gelang dem Regisseur freilich nicht mehr viel. Bereits der Nachfolger All the Real Girls versandete im banalen Befindlichkeitskino und Undertow, ein von Südstaatenklischees aller Art durchsetztes Quasiremake des Klassikers Night of the Hunter, war schlicht und einfach unerträglich. Auch wenn er kaum als Auteur des Films anzusehen ist, stellt Ananas Express für Green, trotz solcher Fehlschläge ohne Zweifel einer der talentiertesten amerikanischen Regisseure seiner Generation, keine schlechte Wahl dar für einen Karriereneustart jenseits der kreativen Wüste des Sundance-Indiekinos.

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