Thursday, May 29, 2008

Jonas qui aura 25 ans en l'an 2000 / Jonas, der im Jahr 2000 25 Jahre alt sein wird, Alain Tanner, 1976

Gerade einmal acht Jahre nach 68 entsteht dieser Film und wählt doch schon einen dezidiert nostalgischen Grundton. Noch schwingt ein wenig Euphorie mit, ein wenig Wille zum Diskurs, doch meistens wird beides auf die zwischengeschobenenen Schwarz-Weiß-Sequenzen verschoben, die auf nicht uninteressante Weise chargieren zwischen mindestens Erinnerung, Reenactment, Utopie, Wunschvorstellung und Traum. In der Gegenwart sind die großen Ideen gescheitert, empirische Realität und Diskurs unterschieden sich wieder im Bildstatus.
Zuerst einmal lebt man immer noch in der französischen Schweiz, vielleicht ist das sogar das schlimmste an der Sache, wer weiß. Wie hätte so eine Revolution auch jemals ausgerechnet in der französischen Schweiz funktionieren können, zwischen zwar unpersönlich/entfremdenden, aber dabei doch auf eine enttäuschende Art bescheidenen Bankmetropolen (das Kapital hat keine hässliche Fratze, sondern siegt durch Langeweile und ganz viel Beton) und großen Landwirtschaftsbetrieben, die schon lange nicht mehr in dörfliche Strukturen eingebunden sind. Vielleicht noch am ehesten in den mondänen Wintersportorten, doch dahin wagt sich Jonas qui aura 25 ans en l'an 2000 nicht. Statt dessen verfolgt er das ziellose Kleinbürgertum, das alles tut, um seinem Kleinbürgertum zu entkommen und schnell feststellen muss, dass der einzige zur Verfügung stehende Ausstieg ein Abstieg ist.
Die Niederlage im entscheidenden Kampf ist eingestanden, auch der Film selbst verzichtet bis auf wenige Ausnahmen (Parallelmontage Waffenarsenale in der Militärparade und Warenarsenalen im Supermarkt) selbst auf die Rhetorik der Agitation, verhandelt wird der Status der Nebenkriegsschauplätze. Den vollkommenen Umschwung der Selbstverwirklichungsideologie in Konsumlogik vollzieht Tanner noch nicht nach, vielleicht war das 1976 auch noch nicht nachzuvollziehen. Aber einige Unterscheidungen lassen sich schon treffen: Erfolgreich nach ihren eigenen Maßstäben sind rein individuelle Projekte, vor allem das sexuelle, alles, was aufs Soziale zielt, hat keine hohe Lebenserwartung: Nach ein paar Monaten richtiger Schule im falschen Leben werden beide Lehrer des Films der Schule verwiesen (wenn ich mir die dämlich schwadronierenden Unterrichtsutopien Tanners anschaue allerdings durchaus: zurecht). Auflehnungen gegen das Kapital selbst, werden entweder radikal niedergeschlagen (die Kassiererin), oder folgen auf längere Sicht derselben Logik wie das Kapital selber und wirken genauso zerstörerisch aufs Soziale wie dieses selbst (die Bauersfrau turned Öko-Unternehmerin, in dieser Figur wird am Ende doch etwas sichtbar von der Generation Bionade).
Nicht nur in diesem Punkt entwickelt Jonas qui aura 25 ans en l'an 2000 analytische Schärfe. Doch insgesamt dominiert die Nostalgie. Der Feind, das System bleibt außen, unsichtbar, selbst dem Grundstücksspekultant gelingt es fast, der Bauernkommune seine eigene gegenkulturelle Befindlichkeit aufzubinden (auch dies eine der analytischeren Szenen im Film: Vertrieben wird er schließlich nicht von den ihm artverwandten Kleinbürgern, sondern vom aggressiven Proletariat, das ihn doch tatsächlich aufzufressen droht). Das zähe Durcheinander aus Tantra, Biobauernhof und alternativer Pädagogik, wurde aeinst aufgenommen als sympathisierendes, fast hoffnungsvoles Generationenporträt, mich lehrt es eher das Gruseln. Und ziemlich langweilig ist der Film - nebenbei bemerkt - sowie.

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