Thursday, March 13, 2008

Daratt, Mahamat-Saleh Haroun, 2006

Eine Sisyphos-Miniatur als Allegorie in der Allegorie: Eine Frau trägt einen Frücchtekorb auf dem Kopf. Eine Fraucht fällt und im selben, Moment, in dem sie sie zurücklegt, fällt die nächste. So geht das eine Weile, bis Atim ihr zur Hilfe eilt. Gefilmt in einer kontinuierlichen Einstellung mit mittlerem Abstand, die Seitenstreben des Bäckerstandes, in dem Atim arbeitet, begrenzen auch das Bild. Die lakonische Genauigkeit dieser Vignette prägt den gesamten Film.
Die Allegorie hat mindestens zwei Ebenen: Die lokale und die nationale. Der Tschad in Daratt ist genug Tschad um lokal anschlussfähig zu sein, aber nicht so sehr und ausschließlich Tschad, als dass er nicht auch pars pro toto für andere afrikanische Staaten stehen könnte. Aber die Fähigkeit zur ehrlichen Abstrahierung gewinnt der Film aus seinem Bewußtsein fürs lokale Detail.
Abstrahiert wird dennoch: Der Bürgerkrieg ist ein abstrakter und immer schon vorbei, die Leichen sind schon abgeräumt, am Schlachtfeld bedrückt nicht das Gräuel sondern die Leere. Es kann dann auch nicht darum gehen, Leichen auszugraben, sondern nur darum, neue Formen des sozialen Miteinanders der Leere entgegen zu setzen.
Atim tötet Nassara, den Mörder seines Vaters nicht. Nicht ganz unschuldig daran ist Aicha, Nassaras junge Frau. Eitelkeit besiegt Mordlust: In Atims Hand ist nur Platz für entweder Pistole oder Deodorant. Genauer als in nicht nur dieser Szene kann politisches Kino kaum sein.
Lokal geht es um Versöhnung, national um postkoloniale, marktkapitalistische Unterdrückung. Obwohl Atim und Nassarat zusammenarbeiten und gemeinsam Brot backen, kann die Konkurrenz billiger produzieren. Produziert hat Daratt unter anderen Abderrahmane Sissako, mit dessen melancholisch-politischer Ästhetik Harouns Film viel gemein hat.

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