Sunday, February 04, 2007

Berlinale 2007: Nachmittag, Angela Schanelec, 2007

Nachmittag verrät in fast jeder Einstellung ein ungeheures Formbewußtsein, ein - hier kein bisschen unangebrachter - Kunstwille, der mit der Gegenüberstellung einer perfekt ausmessbaren Theaterbühne einerseits und den durch Montage und Einstellungsgröße (dominierend sind überaschenderweise Großaufnahmen) dekonstruierten Räumlichkeiten einer (schätzungsweise) südwestberliner Villa beginnt und mit den, glücklicherweise mehr an Arslans Der schöne Tag - überhaupt erinnert viel an Arslan - als an Marseille gemahnenden Dialogen noch lange nicht endet. Die Dialoge: Manchmal dauern sie dann doch wieder den einen Satz zu lang, dann fallen Worte wie "Liebe mich! Liebe Mich!" oder man redet über die Seele. Glücklicherweise jedoch sind die meisten Gespräche von Anfang an so abstrus, dass auch diese leichten Unsicherheiten nicht mehr wirklich ins Gewicht fallen.
Mein Lieblingsbeispiel (aus dem Gedächntnis zitiert):
"Er sieht schlecht aus."
"Nein, er sieht nicht schlecht aus. Er ist nur auf das wesentliche reduziert."
"Was soll das denn jetzt heißen?"
Obwohl der Film in formaler Hinsicht streng wie eh und je ist (manche einstellungen gemahnen auch noch etwas zu sehr an die alte Schanelec, wenn beispielsweise minutenlang ein Küchentisch ins Bild grückt wird, dessen Benutzer nur zu erahnen sind), scheint Schanelec sich selbst und dem Zuschauer gelegentlich etwa mehr Freiheit gewähren zu wollen, in Gestalt des wunderbaren Fritz Schediwy sogar ein bisschen Comic relief.
Rückblickend ist man fast geneigt, in Hinblick auf Nachmittag Schanelec sogar Marseille zu verzeihen. Vielleicht war dieses prätentiöse Formexperiment tatsächlich notwendig als eine Art ästhetischer Läuterung, um von den gelegentlich doch noch etwas naiv-realistischen Frühwerken, die dem Geheimnis minutenang tanzender Mädchen hinterherjagten (Plätze in Städten) oder sich in Strassenlärmexzessen dem Lebensgefühl der Großstadtthirtysomethins anzunähern versuchten (Das Glück meiner Schwester) zu einer Filmform zu gelangen, die in ihrer Flexibilität geeignet ist, modernes Großstadtleben im Schanelec-Milieu adäquat, das heißt mit ästhetischen wie epistemischen Haken und Ösen an allen Ecken und Enden, darzustellen.

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