Friday, December 01, 2006

The Long Goodbye, Robert Altman, 1973

Marlowes Appartement liegt hoch über der Stadt und scheint gleichzeitig gar nicht zu derselben zu gehören. Zu absurd erscheint die Raumkonstruktion, die halbnackten Hippiemädchen der Nachbarschaft verstärken noch den irrealen, traumartigen Eindruck, welchen die Wohnung des Detektivs erzeugt. Doch nicht nur dieser Ort ist meilenweit von den Hard-Boiled Klischees entfernt, die mit den Romanen Raymond Chandlers verbunden sind. Altmans LA wird bewohnt von kauzigen Freaks, die ständig in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen und aus den verschiedensten Filmen zitieren.
Die vielleicht auffälligsten formalen Merkmale des Films finden sich auf der Tonspur. Die Titelmelodie (mitsamt Text) wird in ständig wechselnder Modulation wiederholt, passt sich oftmals unmerklich dem Ort der Handlung an und wechselt fließend zwischen nondiegetischem und diegetischem Gebrauch. Eine ähnliche Position nehmen auch gesprochene Sätze ein, Elliot Gould redet im Grunde ständig, doch nicht immer zum Zwecke der Kommunikation, oft wechselt sein Monolog in den Modus eines mehr oder weniger assoziativen Bewusstseinsstroms.
Auch Kameraführung und Montage sind von fließenden Bewegungen bestimmt, innerhalb der einzelnen Szenen gehen subjektive, subjektivierende und objektive Aufnahmen oft unmerklich ineinander über. Auffallend ist auch das Framing der Personen. Marlowe, die nominelle Hauptfigur, rückt manchmal (vor allem während der Party, nach welcher der Schriftsteller ertrinkt) minutenlang in den Hintergrund, ist zwar noch im Bild zu sehen, ergreift jedoch nie die Initiative. In anderen Sequenzen öffnen sich seltsame Bildräume, vor allem in Spiegelungen.
In der Sequenz, in welcher Marlowe an den Strand geht, während der Schriftsteller sich mit seiner Frau unterhält, ist das Spiel mit unterschiedlichen Perspektiven und Bildräumen vielleicht am deutlichsten zu erkennen. Nachdem Marlowe das Haus verlassen hat, verlässt auch die Kamera die Wohnung und filmt das Gespräch des Ehepaares durch die Fensterscheibe, was allerdings nicht die Perspektive Marlowes ist, welcher kurz darauf in einer Spiegelung der Scheibe in einem neuen Bildraum zu sehen ist. Diese Sequenz ist auch deshalb ausergewöhnlich, weil der Rest des Films recht konsequent aus Marlowes Perspektive erzählt ist (nicht visuell, aber inhaltlich).
Die am konventionellsten aufgelöste Szene findet sich ganz am Ende des Films. Elliot Gould streift für einen Moment alle Manierismen ab und schlüpft in die Rolle eines echten Hard-Boiled Helden. Das Aufeinandertreffen mit dem ehemaligen Freund wird in klassischer Schuss-Gegenschuss Technik dargestellt. Ironischerweise stellt diese Szene die größte Abweichung von der Romanvorlage dar, die Robert Altman sich erlaubt.

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