Friday, May 12, 2006

Geuk jang jeon (Tale of Cinema), Hong Sang-soo, 2005

Gleich die erste Einstellung des Films schafft leichte Verwirrung. Im Hintergrund ist ein hoher Turm zu sehen, davor befindet sich ein Baum. Diese Gegenüberstellung von Natur und Zivilisation (und im Rahmen dieses Films eventuell auch weiblich und männlich) ist fast schon ein Klischee und wird beispielsweise in vielen Filmen Ozus aufs ausführlichste zelebriert. Gleichzeitig sieht man aber am rechten Bildrand eine Straßenlaterne, die nicht so recht ins Stilleben passen will.
Der darauf folgende Film entwickelt sich in einer eigenwilligen, fast primitiv anmutenden Stilistik. Recht einfache, unprätentiöse Bilder bestimmen Tale of Cinema, die einzige auffällige – in der Tat: sehr auffällige – filmtechnische Extravaganz auf der Bildebene ist der extrem häufige Gebrauch des Zooms. Dieser wird immer deutlich ausgestellt, ist relativ schnell und nicht mit zusätzlichen Kamerabewegungen verbunden. Ebenfalls ungewöhnlich ist der Musikgebrauch. Unvermittelt beginnen die meist aus einfachen, sich wiederholenden Harmonien aufgebauten Arrangements, und ebenso unvermittelt enden sie wieder. Genau wie im Falle des Zooms lässt sich nur schwer ein Prinzip ausmachen, wann und vor allem wieso zu diesem Stilmittel getroffen wird.
Im ersten Teil, der retrospektiv als Film im Film erkennbar wird, tritt als zusätzliches Strukturelement ein der Hauptfigur zugeordneter Off-Kommentar, bestehend meist aus Banalitäten, hinzu, dem eine gewisse Ähnlichkeit zur Technik des Zooms bzw. der Musik anzuhaften scheint – auch hier besteht scheinbar ein Missverhältnis zwischen der deutlich herausgestellten Technik und der semantischen Bedeutung im Gefüge des Films.
Inhaltlich betrachtet ist der erste Teil des Films deutlich Ödipus-infiziert, worauf bereits der Besuch des Theaterstücks „Mutter“ hinweist – die reale Mutter ist dann tatsächlich zu dominant, aus der Unfähigkeit, ihre Ansprüche zu befriedigen, scheint nach der psychoanalytischen Lesart Impotenz zu folgen. Überhaupt ist der Film an Freudschen Verweisen, so man sie denn sucht, reicht, auch der anfangs angesprochene und immer wieder an prominenter Stelle ins Bild tretende Turm bietet sich als Phallussymbol an.
Der zweite Teil des Films reflektiert den ersten, beziehungsweise dessen Parodie. Nicht nur die Genderachse scheint sich gedreht zu haben, auch anderes funktioniert nicht mehr so schön, wie in Teil 1. Allerdings dekonstruiert nicht etwa das reale Leben den film – dazu sind die beiden sich in vieler Hinsicht wiederum zu ähnlich – auch im zweiten Teil wird beispielsweise fleissig gezoomt. Weiter verkompliziert wird jeder Deutungsversuch nicht nur durch das Ende (ein zweiter Ödipuskomplex? Ein Kinodiskurs?) sondern auch durch kleine Unsicherheiten, die sich kaum auflösen lassen. Was, zum Beispiel, hat es mit den angeblichen Verletzungen der Frau auf sich?

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