Saturday, December 31, 2005

The Shawshank Redemption, Frank Darabont, 1994

So, zum Jahresabschluss noch mal ein richtiger Scheissfilm:
Laut Imdb der zweitbeste Film aller Zeiten und nun leider auch von mir gesehen: Frank Darabonts kitschig-manipulative, am Reissbrett zusammengehauene Gefängnisdrama The Shawshank Redemption, ein Film, der so widerlich ist, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich ihn überhaupt durchgestanden habe. Nicht nur die ideologische Funktion von Nostalgie läßt sich an diesem in den 50ern und 60ern situierten Dreck wunderbar ablesen, auch als Beispiel für eine besonders infame Taktik des postklassischen Qualitätsfilms ist er durchaus tauglich (wenn auch - weil zu doof - wahrscheinlich ein schlechteres Beispiel als etwa Garden State oder Sideways): diese Filme sind nicht mehr ganz so aufdringlich verzuckert, scheinen auf die eine oder andere Art (hier etwas überdeutlich in Form von Mozart) irgendwas in Richtung Kultur / Philosophie (!) oder sonstigem Bildungsbürger- resp. vielleicht eher Kinder-von-Bildungsbürgerschwachsinn einfließen, weichen aber keinen Millimeter von bewährten kapitalistisch-idealistischen Identifikationsmustern ab - was ja nicht so schlimm wäre, wenn man sich dabei nicht so unheimlich wichtig vorkommen würde.
Das schlimmste an der Sache: es funktionert, heute wahrscheinlich noch besser als 1994, Darabonts Machwerk erschuf nur das Fundament, aber eines, auf dem Regisseure wie der besonders unausstehliche Curtis Hanson wunderbar aufbauen konnten um die schrecklichsten Filme der Gegenwart zu drehen.
In jedem Fall machen solche Werke wieder Lust auf die Zeit, als der schlechte Film seine Unschuld noch nicht verloren hatte. In diesem speziellen Falle könnte als Gegengift zum Beispiel Jack Hills wunderbarer Exploitation-Klassiker The Big Dollhouse dienen - oder jede x-beliebige Frauen-im-Gefängnis Gurke.
Nun ist aber gut...

Tuesday, December 20, 2005

Büyü, Orhan Oguz, 2004

Ein alter Fluch, der auf einem verfallenen Dorf lastet, eine Gruppe Archäologen, die fast ausschließlich aus jungen, leicht bekleideten Studentinnen gehört, das klassische Eliminationsprinzip plus final Girl und ein kleiner Schuss Sleaze: kein Zweifel, auch in der Türkei sind die letzten 25 Jahre Horrorfilmgeschichte nicht spurlos vorüber gegangen.
Die erste halbe Stunde ist schon fast beängstigend konventionell und gibt eigentlich nicht zu allzu großer Hoffnung Anlass. Doch sobald die Ausgrabungsstädte erreicht ist, nimmt der Film Fahrt auf. Die Rauminszenierung ist größtenteils hervorragend, in mehreren Ebenen komponiert, auch die Kamerafahrten sind äußerst effektiv. Während in Amerika immer noch - und nicht nur bei Uwe Boll - Schnellfeuermontage dominiert, versteht Oguz, mit dem Filmmaterial intelligenter umzugehen. Wunderbar auch die Schauspielerinnen, die nach den Morden und Geisterattacken minutenlang Schreien und Kreischen, dass es eine Art hat. Darf man natürlich auch, wenn man zum Beispiel gerade von einem unsichtbaren Dämon vergewaltigt worden ist
Je länger der Film dauert, desto besser funktioniert er - trotz einiger unnötiger Sequenzen in einem tristen Höhlensystem. Das Ende ist sogar richtig gut und kommt angesichts des eigentlich sehr formelhaften Aufbaus des Films sehr überraschend.
Nicht, dass Büyü ein Meisterwerk wäre, das nun wirklich nicht. Ein ordentlicher gebauter, teilweise sogar spannender Horrorfilm, der sich in so mancher Sequenz eine Prise Originalität erlaubt, aber allemal. Und das ist mehr, als man vom größten Teil der Konkurrenz behaupten kann.
Überraschend auch, dass ein handwerklich so überzeugender Horrorfilm ausgerechnet aus der Türkei kommt, deren Genrefilmtradition eigentlich ein klein wenig anders aussieht...
(Nachtrag Jahre später: inzwischen, warum auch immer, zum Trashkult avanciert)

Monday, December 19, 2005

La maman et la putain, Jean Eustache, 1973

Die letzte Stunde wird richtig dramatisch, auf einmal wollen alle alle lieben, werden eifersüchtig, streiten, legen ihr Sexleben offen (bzw. noch offener), weinen, kurz: nerven. Denn all das ist hier absolut unnötig. Die Figuren sind nicht für Gefühle gemacht, auch nicht fürs Melodram, schon gar nicht die überhaupt etwas nervige Marie, deren einziger Vorzug ihr Lidschatten ist, der in schwarz/weiss extrem stylish aussieht. Ansonsten sollte sie eher die Klappe halten, denn all das Gerede über Schwänze und Ficken konnte wohl auch 1973, ein Jahr nach Deep Throat, niemand wirklich schocken.
Zum Glück kommen diese teils schrecklich bemüht wirkenden Szenen erst am Ende des Films, davor darf Jean Pierre Leaud zweieinhalb Stunden lang durch Paris laufen, immer astrein gestylt, mal mit diesem mal mit jenem über nichts und wider nichts reden und versuchen, möglichst viel Unordnung in seine diversen Frauengeschichten zu bringen. Hier funktioniert alles perfekt, ab und an finden sich Einstellungen, die so schön sind, wie sonst fast nichts im Kino, etwa wenn Alexandre vor einem Geschäft steht und Marie sich ihm nähert, erst in den Spiegeln auftaucht, dann jedoch von rechts an ihn herantritt. La Maman... ist es in diesem ersten Abschnitt wichtiger, was für Schatten die Gesichter der Figuren werfen, als was in ihrem Kopf vorgeht, und genau das macht den Reiz des Werkes aus.
Nach diesen 150 wunderbaren Minuten hätte Eustache seinen Film guten Gewissens beenden können.

Wednesday, December 14, 2005

Autostop rosso sangue, Pasquale Festa Campanile, 1977

Dieser dreckige, bösartige aber ohne jeden Zweifel großartige Film lebt vor allem von seinem wunderbaren Cast: Franco Nero ist cool wie immer, Corinne Clerys hat vor allem äußerst fiese grüne Augen und David Hess ist hier (und nicht etwa im viel mießeren Last House on the Left) einer der coolsten Bösewichter aller Zeiten und das immer wieder eingespielte Hippie-Lied von Tanzen, Frieden und Sonne passt wie die Faust aufs Auge.
Autostop rosso sangue ist Exploitationkino wie es sein soll: unmoralisch, voyeuristisch, verstörend und immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, dem nächsten Schlag in die Fresse und garantiert nie auf der Suche nach einer Botschaft. Wer aus diesem Film lebend herauskommt (und das gelingt selbstverständlich nicht allzu vielen), ist sicher kein bisschen klüger, erst recht kein besserer Mensch, sondern höchstens ein paar Tage älter. Wie im Italowestern fasziniert Autostop rosso sangue (alleine der Titel verrät schon viel von der Klasse des Films) gerade aufgrund des Verzichts auf jede Charakterentwicklung.
Campanile, der sonst scheints eher etwas seltsame Komödien gedreht hat, gelingt mit reduzierten Mitteln ein Meisterwerk, das fast alles richtig macht und vor allem von Anfang bis Ende seinem Stil treu bleibt.

Wednesday, November 30, 2005

Doris Wishman Double Feature

Diary of a Nudist (1961)

Ein Auto fährt vor ein Tor, eine Frau steigt aus, öffnet das Tor, das Auto fährt weiter, hält vor dem nächsten Tor, die Frau steigt wieder aus, öffnet wieder das Tor, ein anderes Auto fährt vor das erste Tor, eine andere Frau steigt aus, öffnet das erste Tor, das andere Auto fährt weiter, hält vor dem nächsten Tor, die andere Frau steigt wieder aus, öffnet das nächste Tor.
Auch wenn diese Schnittfolge vielleicht nicht dieselbe ist wie im Film: das ist Diary of a Nudist, die totale Redundanz, die daraus entsteht, dass der Film nichts zu erzählen hat, aber auch das, worauf es eigentlich ankommt, nicht zeigen darf. Das Resultat ist ein Film über das buchstäbliche Nichts, hypnotisch in seiner offenkundigen Sinnlosigkeit. Das offenkundig streng gehandhabte Schamhaarverbot erweist sich als Geniestreich und resultiert in einer Parade tableaux vivants von grotesker Künstlichkeit, dargestellt von fast baywatchtauglicher "Nudisten" (dass die wahre Klientel dieser Camps nicht im Film auftaucht, ist natürlich ein großer Vorteil), deren Absurdität durch die hirnerweichend debile Easy-Listening Musik noch unterstützt wird. Die Nudistencamps der 60er müssen, soviel zumindest macht Diary of a Nudist klar, eine besonders perfide Version der Hölle auf Erden gewesen sein.

A Night to Dismember

22 Jahre und viele wunderbare Filme später ist der retardierte Stil von Diary of a Nudist, dessen Jumpcuts wahrscheinlich darauf zurückzuführen sind, dass die Palette mit den Trickblenden aus Versehen im Papierkorb gelandet ist, einem komplett derangierten, in keiner Weise systematisierbarem Idiolekt gewichen. Tatsächlich scheint in diesem Film, der doch eigentlich immerhin eindeutig dem narrativen Kino zugerechnet werden darf, (stellt er doch einen allerdings schon in der ersten Minute schiefgelaufenen Versuch, sich an die Slasherwelle der Vorjahre anzuschliessen, dar) teilweise jede Einstellung einen neuen Weg, bzw. eine neue Vision, vorschlagen zu wollen. Splattersequenzen, deren Herschell Gordon Lewis sich nicht geschämt hätte, treffen auf den debilste Off-Erzähler der Filmgeschichte, der die Handlung nicht nur nicht erklärt sondern im Gegenteil eine weitere Ebene der Verwirrung in ein Werk einschreibt, das spielend mit den ganz großen Trashfilmen mithalten kann. Highlights sind zwei Traumsequenzen, deren erste vage an Ken Russell erinnert, während die zweite sich tatsächlich jeder Beschreibung widersetzt.

Monday, November 28, 2005

L'Enfant, Jean-Pierre / Luc Dardenne, 2005

Ein Film für Rotweintrinker. Die Bougeoisie träumt sich eine Unterschicht zusammen, die perfekt in ihr Weltbild passt, da die Probleme nie systemimanent sind, sondern stets auf persönliches Versagen zurückgeführt werden. Das wäre noch nicht mal so schlimm, aber die Dardennes übertreiben dies bis ins Groteske. Oder landen die Menschen tatsächlich deshalb beim Sozialamt, weil sie sich dauernd zu teure Lederjacken kaufen? Wer weiss...
Schrecklich auch der Stil, reduziert auf das Allerbanalste, Nichtssagenste. L'Enfant nimmt mal wieder Zuflucht bei der klassischen Schauspielkunst, was darin resultiert, dass noch weniger funktioniert als im ohnehin dämlichen Drehbuch angelegt ist. Unsere beiden Edelclochards weinen, tanzen, lachen in allernervigster Schauspielschuleerstsemestermanier, dass es eine Art hat.
L'Enfant zeigt das Europäische Kino von seiner doofsten Seite, auf Zielgruppentauglichkeit totgefördert und stilistisch bankrott, opportunistisch sowohl auf die Champagnertrinkern in Cannes als auch auf die Rotweintrinker in den Arthauskinos zugeschnitten.
Eine Rechnung die leider wieder einmal voll aufgegangen ist. Denn nicht nur die goldene Palme wurde abgeräumt, auch das Fsk Kino, in dem ich mir diesen Schmarrn angesehen habe, war randvoll. Mit der entsprechenden Klientel natürlich. Und ich mittendrin. Hm.
Nachtrag Jahre später: noch so eine Altlast. Einiges sehe ich allerdings immer noch so...

Monday, November 21, 2005

Secret defense, Jacques Rivette, 1998

Die Transfers zwischen den Handlungsorten sind ebenso wichtig wie diese selbst. Und so sehen wir Sandrine Bonnaire minutenlang in der S-Bahn, dem TGV oder im Auto. Vor dem Fenster zieht Paris vorbei, oder ein bisschen grünes Frankreich. Doch immer trennt uns - neben allem übrigen, kinotypischen - eine Glasscheibe von dieser "echten Welt", die vor dem Fenster vorbeizieht und die weder Sandrine noch wir wirklich erreichen können. Konsequenterweise findet das entscheidende Gespräch am Ende des Films auch während einer Zugfahrt statt, begleitet von den im Hintergrund vorbeiziehenden Feldern und Wiesen eines Landes, dessen Verhältniss zu sienen Bewohnern stets unklar bleibt. Auch andere Stellen des Films bieten eine ähnliche, leicht anästhetisierende Wirkung, die den Film als immer ganz knapp neben der Wirklichkeit positioniert erscheinen lassen. Mal sind es die Telefongespräche, in welchen wir beide Gesprächspartner mit identischer Lautstärke und vollkommen unverzerrt vernehmen, manchmal seltsame Geräusche, die immer genau dann zu enden scheinen, wenn man sie bemerkt hat.
Secret defense, lose an Hitchcocks Vertigo angelehnt, zeigt Rivette auf der Höhe seines Könnens, auch wenn der Film insgesamt nicht sein komplexester sein mag. Kaum merklich variiert er das Tempo, die Motive, die Figurenkonstellationen, spielt mit seinem Material und erschafft dabei wieder einmal eine Welt, die, wie sehr sie auch in unserer Gegenwart verankert zu sein scheint, sich ihrem Zugriff doch immer wieder entzieht.

Don't Go in the House, Joseph Ellison, 1980

Nach Halloween aber vor der von Friday the 13th ausgelösten großen Slasherwelle entstand dieser kleine, ziehmlich mieße Film, der sich relativ schamlos bei Hitchcocks Meisterwerk Psycho bedient.
In diesem findet sich am Ende eine viel kritisierte Szene, in welcher ein Psychiater die Taten des Norman Bates tiefenpsychologisch deutet. Don't Go in the House rechtfertigt diese Sequenz rückwirkend zu 100%, denn Ellisons Film zeigt eindrucksvoll, was passieren kann, wenn man versucht, eine solche Motivierung in den Film selbst einzubauen (in diesem Fall mit Hilfe bescheuerter Traumbilder, Rückblenden und "Stimmen im Kopf"). Ein ärgerlicherer Fall von Küchenpsychologie ist mir wahrscheinlich noch nie untergekommen.
Andererseits macht Don't Go in the House an vielen Stellen natürlich nur das manifest, was in Hitchcocks Film (wie in vielen anderen klassischen Thrilern) noch latent war, die misogynen Tendenzen des Genres werden zumindest in einer widerlichen, an die Abgründe des amerikanischen Sexploitation Kinos erinnernde Szene so deutlich, wie sie nur deutlich werden können.
Allerdings wird auch klar, dass mit Freudschem Vokabular diesem Film (und dem Vergleich) letztlich nicht beizukommen ist. Denn die figurierte Vermittlung der Inhalte ist in beiden Filmen zu unterschiedlich. Und das diese eine große Rolle spielt, macht Don't Go in the House eindrucksvoll deutlich.

Monday, November 14, 2005

Staroye i novoye, Sergej Eisenstein, 1929

Sein vierter Langfilm zeigt Eisenstein auf der Höhe seines Könnens, alle Hebel werden zur rechten Zeit umgelegt, jede einzelne Einstellung definiert sich einzig aus dem Zusammenhang des ganzen Films. Die Brillanz und Geschmeidigkeit, mit welcher der Regisseur hier zu Werke geht, ist wirklich unglaublich. Das Bildrepertoire, welches er benutzt ist im Vergleich zu seinen vorhergehenden Werken noch ausgebaut und vor allem feingeschliffen worden.
Besonders anzumerken ist, dass an Eisenstein ein großer Tierfilmer verloren gegangen ist. in Staroye i novoye dient seine Beschäftigung mit Kühen, Lämmern etc natürlich einem ideologischen Zweck (Vertilgung der letzten Rückstände des idealistischen Humanismus: das tierische Antlitz eignet sich zur emotionalen Bearbeitung des Publikums mindestens genauso gut wie das menschliche), eindrucksvoll ist sie allemal (auch wenn eine Sequenz fast die Grenze zum Tierporno überschreitet). Die Kreatur ist aus ihrem Objektdasein befreit und kommt - zumindest ansatzweise - zu ihrem eigenen Recht. Um so irritierender wirkt dann die Schlachthausszene.
Und spätestens hier liegt der Grund dafür, dass Eisenstein letzten Endes auf ganzer Linie gescheitert ist. Die nach industriellen Prinzipien organisierte Farm ähnelt aus heutiger Perspektive einem mechanistischen Alptraum, die an Franjus Schlachthaus gemahnende Szene verdeutlicht dies nur noch einmal. Wie schade, dass Eisenstein sein Genie an ein unwürdiges System und an platt vor sich hin predigende Filme verschenkt hat. Immer wieder scheint, hier wie in seinen anderen Werken, die Möglichkeit auf, aus dem rigiden Korsett des orthodoxen Marxismus auszubrechen, scheint der Weg frei zu werden für Filme, die eine offenere und ehrlichere Beziehung zu den Dingen und Menschen vor der Kamera, doch andauernd greift er in endlosen, ständig in sich selbst zurückfallenden Montagesequenzen auf seine eigene Theorie zurück, schafft es nicht, dem selbst angelegten Kerker zu entkommen.
Nachtrag Jahre später: auch das hier ist nicht unbedingt superreflektiert. Aber ein nettes Museumsstück

Friday, November 11, 2005

Hotel, Heinz Emigholz, 1967

Zwei Menschen vor einer Häuserfassade, ganz langsam verschieben sich die Konturen zueinander, vielleicht durch Figuren- vielleicht durch Kamerabewegung.
Später dann eine Frühstücksszene, die fast unmerklich dekonstruiert wird. Doch zuerst einmal entdeckt man den Ton im Kino neu. Plötzlich bringen die Dinge auf ganz natürliche Art Geräusche hervor, jede Bewegung erhält einen Widerhall. Vor allem dadurch erhalten die Gegenstände in Hotel eine beispiellose Materialität, bevor sie sich in reine Spielfiguren verwandeln. Denn schon bald zeigt sich, dass Ton in Emigholz Händen nur ein weiteres Element ist im Spiel des Films, der Rhythmus der Geräusche legt sich über den des Schnitts, die Autos vor dem Fenster beginnen mit einem seltsamen Tanz, dem sich die Frühstücksutensilien und die Frühstückenden anzuschliessen scheinen.
Wenn am Ende noch einaml die beiden Menschen vor der Häuserwand gezeigt werden, ist die Dekonstruktion längst vollendet, man befindet sich wieder im freien Spiel der Formen, im Emigholzschen Bewusstseinsexperiment.
Hotel zeigt die Möglichkeiten des radikalen, strukturellen Experimentalfilms, die hier fast grenzenlos erscheinen. Die Welt in 24 Bildern pro Sekunde zu erleben, ohne dass die Regeln vorher feststehen, dass Ergebniss vorweggenommen ist, wunderschön und - letztlich - unbeschreibbar.

Thursday, November 03, 2005

Gonin 2, Takashi Ishii, 1996

Insgesamt ist Gonin 2 leider nicht mehr als ein mit erkennbar niedrigem Budget schnell heruntergedrehtes Sequel. Schon der Vorgänger gehörte, trotz aller optischer Brillanz, nicht zu den besten Werken des Regisseurs (hervorzuheben ist m.E. vor allem Original Sin, ein unglaublich eleganter, geschmeidiger Thriller), der zwar Takeshi Kitano in einer seiner coolsten Rollen aufbieten konnte, sonst aber ncht allzu viel. Der Nachfolger versucht gleich einen doppelten Twist. Einerseits sind die titelgebenden fünf Menschen, welche wieder Mal Stress mit Yakuzas haben, diesmal weiblich, zum anderen wird die Haupthandlung durch eine konventionellere Revenge-Story gespiegelt und ergänzt: ein alternder Geschäftsmann rächt sich auf brachiale Art an den Männern, die seine Frau vergewaltigten und töteten. Auch die Fünf Amazonen haben allen Grund, die Männerwelt aufzumischen.
Leider weiss Ishii nie so recht, was er mit dieser eigentlich vielversprechenden Ausgangslage anfangen soll. Die unterschiedlichen Rollenmodelle, für die die beiden Handlungsstränge stehen, werden weder konkret ausgespielt, noch bewertet. Die klassische Lösung bleibt am Ende zwar erfolglos, wird jedoch überhöht und romantisiert, die sozialrevolutionäre Frauenrevolte glückt, hinterlässt aber einen unschönen Nachgeschmack aufgrund einiger unnötigen Albernheiten, vor denen wohl auch japanische Actionheldinnen nicht gefeit sind (glücklicherweise geht Ishii, auch was den T&A Faktor angeht, nie so weit wie Charlies Angels oder ähnlicher Blödsinn).
Trotz eines grundsätzlich interessanten Skripts und einigen wunderschönen Aufnahmen (vor allem die Poolszene ist umwerfend), die man von dem Regisseur gewohnt ist, bleibt nicht viel mehr übrig als eine Fingerübung, die allerdings schon auf den vier Jahre später entstandenen Freezer verweist, in welchem Ishii ein ähnliches, jedoch viel reduzierteres Sujet mit ungleich mehr Sorgfalt behandelt.

Monday, October 31, 2005

Tommy, Ken Russell, 1975

Ein 111minütiges Musikvideo zu drehen, das im großen und ganzen über die ganze Zeit funktioniert ist sicher nicht einfach aber Russell schafft dies mühelos. Entstanden ist das Ganze 1975, also einige Jahre vor Mtv, was auch zeigt, dass die Beziehung zwischen Musikfernsehen und Kino keine so einseitige war, wie oft behauptet wird. Zumindest Russell hatte es nicht nötig, sich bei irgendwelchen Clipregisseuren etwas abzuschauen, im Gegenteil, im Vergleich zu Tommy wirkt fast das gesamte Mtviva selbst heute noch bieder, ganz zu schweigen von den hölzernen Anfängen.
Dass der Film trotzdem nicht der ganz große Wurf geworden ist, liegt vor allem an der musikalischen Vorlage. Letzten Ende ist The Whos Tommy doch nicht mehr als nur ein weiteres überambitioniertes Konzeptalbum und der Entwicklungsroman, den es erzählt, nicht nur naiv sondern oft einfach blöd. Auch Russells Umsetzung kann nicht immer überzeugen, einige Szenen nerven aufgrund ihrer schlechten Komposition und vor allem ihrer Penetranz (vor allem Marilyn mit Davidsstern). Seltsam ist auch, dass der Regisseur sich gerade in dem Film, in welchem er ganz und gar freie Bahn hatte, auf der Bildebene fast vollständig von narrativen Zwängen befreit seine Visionen zu verwirklichen, in Zurückhaltung übt, was transgressive Bildinhalte angeht. Etwas mehr Russell-Ikonographie und etwas weniger camp Mise en Scene hätte dem Werk sicherlich gut getan.
Dennoch natürlich wunderbar. Überhaupt versöhnt mich die kleine Russell Reihe im Lichtblick derzeit wieder etwas mit dem Kino, welches mir in letzter Zeit mit viel halbgares (Dear Wendy) oder schlichtweg enttäuschendes (A History of Violence) präsentierte (von so manchem Scheiss, den ich mir aus semiprofessionellen Gründen ansehe, ganz zu schweigen).

Monday, October 24, 2005

All About Lily Chou-Chou, Iwai Shunji, 2001

Leider hierzulande noch viel zu unbekannt ist der japanische Regisseur Shunji Iwai. In Ostasien hat der Regisseur längst Kultstatus und zwar absolut zurecht. In der Tat ist sein Stil einmalig, die Filme, wiewohl stets mit ordentlicher Überläge, entwickeln einen unglaublichen Sog, was sowohl an der brillanten Optik als auch an dem eigenartigen narrativen Stil liegt. Denn Iwai erzählt nicht geradlinig, wählt aber auch keinen episodenartigen Stil. Selten verliert er seine Geschichte ganz aus den Augen, doch de konkrete Weg, den die Erzählung einschlägt, folgt ganz eigenen Gesetzen.
Vor allem sind Shunji Iwais Filme natürlich unglaublich hip, quellen über von cooler Musik, coolen Frisuren, usw. Doch seltsamerweise nervt dies hier nicht, sondern passt sich perfekt ein in das hochstilisierte Gesamtwerk. So zum Beispiel in diesem Fall. All About Lily Chou-Chou erscheint noch zielgruppenorientierter als andere Arbeiten, es geht schliesslich vor allem um Internet und Popmusik. Doch im Gegensatz zu anderen State of the Art Regisseuren wie Tony Kaye oder Darren Aronofsky gelingt es Iwai, Form und Thema sinnvoll zu verweben, nie didaktisch zu werden und dadurch einen der gelngensten Filme des bisherigen Jahrzehnts zu drehen. Iwai geht nicht gerade zimperlich um mit seinen Figuren, die große Probleme haben, überhaupt über die Runden zu kommen. Einfach ist nichts in diesem Film und von ener süßen Verpackng auf madigen Inhalt zu schliessen, funktioniert zumindest in diesem Fall nicht.

Spanking the Monkey, David O. Russell, 1994

David O. Russell positioniert seine Filme stets zwischen den Genres, weigert sich, ihnen eine kohärente Tonlage zu verpassen, die sich durch den ganzen Film zieht. Three Kings ist mal durchgeknallte Kriegssatire, dann wieder realistisches Drama, I Heart Huckabees pendelt zwischen verschiedenen Komödientraditionen, orientiert sich mal an Monty Python oder Douglas Adams, meist aber an den überdrehten Richard-Lester-Filmen der 60er.
Sein Debütfilm bleibt scheinbar ebenfalls immer etwas unsicher, wohin er genau will, schöpft aber gerade daraus sei Stärke. Die Zerlegung der bürgerlichen Familie (hier mitsamt Inzest) war vorher und nachher ein fruchtbares Thema, doch nur selten wurde es so überzeugend umgesetzt wie hier, auch weil Russell von der Formel abweicht und gar nicht erst versucht, eine heile Welt zu konstruieren, die es dann zu zerstören gilt. Denn dass hinter der schönen Fassade etwas faul ist, hat inzwischen wohl jeder gemerkt (außer David Cronenberg vielleicht, leider), die Dekonstruktion dieser Scheinwelten ist also höchstens noch technisch interessant. Spanking the Monkey konzentriert sich dagegen auf seine Charaktere und zeigt, wie amerikanisches Indiekino manchmal eben doch funktionieren kann. Nie ganz Satire wie der thematisch sehr ähnliche Sitcom, doch auch weit entfernt von der metaphysischen Schwere von Teorema, gelingt hier fast alles, die meist konsequent subjektive Perspektive leistet gute Dienste und die Schauspieler nerven mit wenigen Ausnahmen tatsächlich nicht. Kaum zu glauben, wenn man sich dagegen aktuellere Beiträge ansieht, die eigentlich in eine ähnliche Richtung zielen (Garden State, Sideways und ähnlicher Blödsinn).

Tuesday, October 18, 2005

Rocker / 48 Stunden bis Acapulco, Klaus Lemke, 1970/1968

Wie schon anlässlich des schönen Sauerkraut-Western Deadlock an dieser Stelle bemerkt: Früher war alles besser, auch und gerade im Deutschen Kino. Ein durchschlagender Beweis hierür sind zwei Frühwerke des heute meist fürs Fernsehen drehenden Klaus Lemke. Vor allem sein Spielfilmdebut 48 Stunden bleibt auch zwei Wochen nach dem Kinobesuch in seiner gesamten Faszinantion erhalten. Die konsequente Aneignung zahlloser B-Movie Mythen in Verbindung mit einer unvergleichlichen Liebe fürs Detail schafft ein filmisches Universum, das (nicht nur hierzulande) seinesgleichen sucht. Hier stimmt einfach jeder Dialog, jede Geste und vor allem: jedes Setting. Vor allem Mexiko sieht bis aufs Haar so aus, wie Mexiko auszusehen hat, vom heruntergekommenen Motel bis zur obligatorischen Strassenkneipe. Anders als in Godards Genrefantasien versucht die Regie nie, Distanz aufzubauen, im Gegenteil, Ziel ist es stets, den Zuschauer so fest wie möglich innerhalb der Narration zu halten, auch auf die Gefahr hin, dass all die Klischeebeschwörungen irgendwann überhitzen und in sich zusammenfallen. In 48 Stunden entgeht Lemke dieser Gefahrdurch eine unglaubliche Kraftanstrengung, die totale Überstilisierung von alles und jedem resultiert hier in einem fiebrigen, fesselnden und in meinen Augen visionären Werk, das aber mit Sicherheit nur im Kino funktionieren kann.
Ganz anders Rocker. Von Anfang an als TV-Produktion geplant schert Lemke sich hier wenig fürs genuin kinematographische, visuell wird der Film von Großaufnahmen der Protagonisten dominiert, denen fast unbeschränkter Freiraum eingeräumt wird. Auch vom Perfektionismus von 48 Stunden ist nichts mehr zu spüren, was nicht nur daran liegt, dass hier ausschliesslich Amateurdarsteller im Einsatz sind. Was jedoch geblieben ist, ist die totale Identifizierung der Regie mit ihrem Thema. Wieder verzichtet Lemke auf jegliche Distanz zu seinen Figuren, kommt nicht im Traum auf ide Idee, ihr Machogehabe zu hinterfragen. das großartige an der Sache ist, dass es wieder funktioniert. Als Zuschauer wird man nicht gezwungen, die Partei der Regie zu ergreifen, doch Lemkes Film wirkt auf eine emotionale Mittäterschaft hin. Der Regisseur häuft schliesslich genug Argumente auf, die Tonspur füllen ausschliesslich klassische Rockheuler der Stones, Doors oder Santana, die Darsteller reden eine derart fantastische Sprache (die wohl auch durch die 35 Jahre Abstand noch gewonnen hat), dass man einfach mitrocken muss, zumindest für die 85 Minuten, die der Film dauert.
Auch Brandstifter, der dritte Lemke-Spielfilm, den ich anlässlich einer kleinen Retrospektive im Berliner Arsenal bewundern durfte, hat durchaus seine Qualitäten, wobei er im direkten Vergleich doch deutlich abfällt, was wohl vor allem daran liegt, dass dem guten Klaus zum Studentenmilieu weniger einfällt als zu Gangstern und Rockern. Eine Würdigung von Brandstifter findet sich hier.

Sunday, October 16, 2005

A History of Violence, David Cronenberg, 2005

Wer gehofft hatte, A Hstory of Violence stelle Cronenbergs Rückkehr zu alter Form dar, wird leider schwer enttäuscht. Tatsächlich ist dieses neue Werk möglicherweise sein schwächstes überhaupt. Das Problem bei der Sache ist nicht die Mainstreamtauglichkeit, die dem Film nicht abzusprechen ist. In der Tat scheint Cronenbergs Konzept, einen Mainstreamfilm mit einem kleinen persönlichen Twist, der sich in einzelnen Schockmomenten und einem sehr zurückgenommenen Spiel der Figuren ausdrückt, zu drehen, gerade in der ersten Hälfte aufzugehen. Hier macht der Film manchmal tatsächlich Spass, obwohl bereits abzusehen ist, dass inhaltlich recht wenig zu erwarten ist. Und wirklich, je länger der Film dauert, desto deutlicher wird die konzeptuelle Leere, die schon eXistenZ und (weniger deutlich) Spider zu eher enttäuschenden Filmen machte. Wieder wählt der Regisseur eine zirkuläre Struktur, welcher hier außerdem jeglicher Überraschungsmoment fehlt. Zu keinem Zeitpunkt wird erkennbar, was Cronenberg an dem Stoff (der in der Hand anderer Filmemacher wie etwa den Coens durchaus hätte funktionieren können) interessiert. Klar, wieder einmal geht es um die nicht funktionale Familie, ansatzweise sind auch biologistische Tendenzen vorhanden, doch nie führt er dieses weltanschauliche Gemenge auf eine neue, transgressive Ebene, wie es ihm in den 80ern immer wieder so meisterlich gelang. Stattdessen wildert er in fremden Gefilden, versucht seine uninteressante Geschichte mit etwas Teenage Angst und Tarantino-Coolness aufzumotzen, aber vergeblich. Was übrigbleibt ist ein ödes Familienmelodram, das gerade deshalb so ärgerlich ist, weil es in einigen wenigen Momenten durchaus noch Spuren der alten Kraft enthält und Viggo Mortensen aufgrund seiner Physiognomie durchaus zu einem echten Cronenberg-Helden taugen würde.

Thursday, October 13, 2005

The Lair of the White Worm, Ken Russell, 1988

In der 23. Minute beginnt die Wiederkehr des Verdrängten, und zwar mit aller Macht. In eine campig-verstaubte Geistergeschichter dringt ohne Vorwarnung die volle Ladung: blutüberströmte Frauenleiber, brennende Kreuze und abstruse Phallussymbolik. Klar ist es eigentlich wenig spannend, Psychoanalyse aus einem Film zu entnehmen, in den sie ganz offensichtlich (und offensichtlicher als hier gehts nun wirklich nicht mehr) hineingeschrieben wurde, doch im Falle von The Lair of the White Worm lohnt es trotzdem. Denn Russell situiert diese nicht nur innerhalb der Handlung sondern dekonstruiert mit ihrer Hilfe das gesamte Vampirgenre. Die ganze Blutsauger-Metaphorik spielt eigentlich gar keine Rolle, alles dient nur dem Spieltrieb des Machers, dessen wahre Obsessionen sich nicht in die Narration einfügen lassen. Nur zweimal durchbricht der Regisseur die spröde Oberfläche des Genres und gibt Einblick in Abgründe ganz anderer Art, als sie die biedere Bram Stocker Erzählung bieten kann (die allerdings durchaus reizend umgesetzt wurde, wenn auch das Mitwirken Hugh Grants etwas irritiert).
Ken Russell gehört auf jeden Fall zu den ganz großen Erotomanen des Kinos und da ich bisher seltsamerweise noch fast nichts von ihm kenne, werde ich dies in nächster Zeit bestimmt nachholen. Vielleicht erwarten mich ja noch andere Kleinode wie dieses hier.

Saturday, October 08, 2005

They Drive by Night, Raoul Walsh, 1939

Wer wissen möchte, wie das zur Beschreibung des klassischen Hollywoodkinos oft beschworene "tight plotting" in Reinform aussieht, sollte sich diesen schönen, vage sozial engagierten Truckerfilm von Raoul Walsh (mit Humphrey Bogart, der leider wieder einmal in einer Nebenrolle verheizt wurde, erst im Jahr darauf gelang ihm endlich der Durchbruch) ansehen. Lang nicht alles passt zusammen, der Film wechselt mehrmals die Tonart, mindestens einmal sogar das Genre, nimmt viele Fäden gar nicht, oder nur nebenbei wieder auf, doch Langeweile oder Verwirrung kommt zu keiner Sekunde auf und zwar ganz einfach, weil die Handlung immer weiter läuft, egal in welche Richtung, stets in derselben Geschwindigkeit. Um es mit einem anderen oft gebrauchten Ausdruck zu umschreiben: there's never a dull moment. Dass die Nebenfiguren (neben Bogart die hier fast noch coolere Ida Lupino) den eigentlichen Protagonisten mühelos die Show stehlen, schadet dem Film auch nicht. Hier passt jedes Bild, keine Metaebene schadet der Narration, die ungehindert in allen amerikanischen Klischees plündern kann, dass es nur so eine Art hat.

Wednesday, October 05, 2005

Westphal, Hip-Hopper, Banken-Chefs

Da werfe ich heute zum ersten Mal seit Wochen wieder einen Blick in die Berliner Zeitung, die mir angesichts der lokalen Konkurrenz eigentlich recht sympathisch ist und mir fällt eine Rezension von Gilliams Film über die Brüder Grimm ins Auge. Das Ganze beginnt so:
"Noch jeder Banken-Chef oder Hip-Hopper kennt wenigstens zwei oder drei der "Kinder- und Hausmärchen" der Gebrüder Grimm. Umfassender interessierte Leute schätzen die Brüder darüber hinaus als Begründer der Germanistik und Schöpfer etwa des "Deutschen Wörterbuchs"; ...".
Den weiteren Verlauf möchte ich gar nicht kommentieren, da ich den Film noch nicht kenne, doch schon aus diesen ersten eineinhalb Sätzen scheint eine ganz spezifische, freilich nicht allzu leicht zu bestimmende Geisteshaltung zu sprechen. Diese entspricht sicher nicht dem guten alten Philologendünkel der humanistisch Gebildeten und entsprechend Belesenen. Die haben wahrscheinlich von Hip-Hop noch nie was gehört und würden mit Sicherheit andere Beispiele von Bevölkerungsgruppen auswählen, von denen sie als Privilegierte sich absetzen könnten, eventuell Abendschüler oder andere Proleten. Im Falle der Autorin Westphal liegt die Sache anders. Hier möchte wohl jemand einer viel enger umgrenzten Gruppierung zugeteilt werden, nämlich einem belesenen urbanen Milieu, das nicht den Mief der alten Geisteswelt ausströmt und dennoch in puncto intellektuellem Dünkel keinen Millimeter zurücksteht. So ungefähr und aus Berliner Sicht: hier in Prenzlauer Berg fühlen wir uns wohl, hier ist die wahre Elite zu hause, da können die Banker in Mitte (oder - noch schlimmer - in Dahlem) genauso wenig mit wie die Rapprolls im nordwestlich eängstigend dräuenden Wedding.
Natürlich kann man Hip-Hop bzw. Hip-Hopper nicht mögen, doch dann sollte man schon Gründe haben, bzw. auch nennen. Und gegen Bankenchefs negativ eingestellt zu sein ist sicher nicht unsympathisch, nur ist das Problem an diesen sicher zu allerletzt mangelnde Belesenheit im germanistischen Kulturgut. Was aus dieser Formulierung spricht ist nichts weiter als alte Arroganz in neuer Verkleidung.

Sunday, October 02, 2005

Text weg

supsup, Text weg

Saturday, October 01, 2005

A Touch of Evil, Tony Au, 1995

Der Film hat nichts mit dem Orson Welles Klassiker zu tun, stattdesen handelt es sich um einen Hong-Kong typischen Genremix, wie er vor allem in den 90er Jahren populär wurde, obwohl auch schon Filme wie On the Run oder My Heart is That Eternal Rose in den 80er Jahren die Richtung vorgaben. Zu typischen Heroic Bloodshed Einlagen gesellen sich melodramatische Elemente, es entsteht ein spezifischer Rhythmus aus Gewaltausbrüchen und Statik. Die herausragenden Beispiele dieser Technik sind sicher neben Wong Kar-Wais Fallen Angels zwei Filme von Patrick Leung: Beyond Hypothermia und vor allem Task Force (in meinen Augen der beste Hong-Kong Film überhaupt). Hier treffen Liebesfilm und Actionkino in unnachahmlicher Weise aufeinander, die Romanze spiegelt sich in der Gewalt und umgekehrt. In eine ähnliche Richtung zielt A Touch of Evil, obwohl hier die Grenze zum Melodram definitiv überschritten wird und die gelegentlichen Gewaltausbrüche weniger Platz in der Handlung einnehmen (und auch nicht so stilisiert werden) wie in Leungs Filmen. Dennoch bezieht auch dieser Film aus dem Spiel mit verschiedenen Genres seinen Reiz. Was aber Aus Film wirklich auszeichnet, ist Rosamund Kwan als Coco, die eine Rolle spielt, wie sie Frauen im amerikanischen oder europäischen Kino (ob Action, Melodrama oder sonstwo) fast nie erhalten. Sie ist zwar auch Projektionsfigur, Handlungsleerstelle, Sexualobjekt (freilich im Vergleich zu amerikanischen Filmen in geringem Maße) usw., jedoch wird sie (scheinbar) nie zur Spielfigur des Regisseurs, sondern gewinnt im Laufe des Films mehr und mehr Macht über den Film, die Narration, die Bilder. Wenn sie am Ende auch allein zurück bleibt, wird doch klar, dass sie nach dem Film nicht so leicht in ein neues Gewand gepresst werden kann.

Wednesday, September 28, 2005

Three Kings, David O. Russell, 1999

Dieses seltsamerweise recht wenig beachtete Werk ist mit Sicherheit einer der besten Kriegsfilme der 90er, ich persönlich kenne zumindest keinen besseren. Eine Gruppe reservisten zieht, begleitet von Simpsons Figuren und Musik der Beach Boys los um einen Goldschatz zu heben und wird dabei von einer karrieregeilen Reporterin verfolgt. Das ganze präsentiert Russell in atemberaubendem Stil, blitzschnell geschnitten, oft stilisiert aber nie stilisieren. So erreicht er es, die Medienproduktionen, die Kriege heutzutage umgeben(und natürlich in anderer Form auch schon früher umgeben haben), aufzudecken ohne in Gefahr zu geraten, sein eigenes Werk zu einer ebensolchen Produktion zu degradieren (genau dies passiert Spielbergs Saving Private Ryan, der ja eigentlich auch von einer Publicity-Aktion handelt, nur hat man das spätestens nach dem ersten Drittel des Films bereits vergessen). So gelingt es Three Kings wenigstens teilweise eine neue Repräsentationsform anzudeuten, die der Kriegsfilm bitter nötig hat. Ansonsten ist politisch natürlich auch hier nicht alles sauber, das haben Kriegsfilme - und amerikanische vielleicht in besonderem Maße - nun mal an sich. In diesem Fall nervt nicht nur das Ende, welches trotz aller Ironie einiges von den Aussagen des Films zurücknimmt, sondern vor allem die Nähe zu pseudoliberalen Ideen des Mooreschen Typs, allerdings interessiert sich Russell im Gegensatz zu dem dicken Michael wirklich für die Araber, die von Bush Senior erst totgebombt und dann - soweit sie sich gegen Saddam aufgelehnt hatten - im Stich gelassen wurden. Tatsächlich wiegt hier, und das ist für den amerikanischen Kriegsfilm nun wirklich außergewöhnlich, das Leben einer irakischen Frau gleich viel wie das eines GIs. Doch ist es vor allem der Stil, der einerseits der Medienrealität der Gegenwart gerecht wird und andererseits aufzeigt, dass sich zwar die Bilder des Krieges gewandelt haben, nich jedoch der Krieg selbst (zumindest nicht auf höherer Ebene), der Three Kings zu einer kleinen Sensation im Mainstream macht.

Monday, September 26, 2005

Performance, Nicolas Roeg und Donald Cammell, 1970

Dieser seltsame 70er Jahre Mitternachtsklassiker mit James Fox und Mick Jagger (der hier eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Michael Jackson aufweist - wie mir gerade auffällt sind auch die Namen fast gleich) kommt sich stellenweise, vor allem gegen Ende, eindeutig zu wichtig vor. Die komplexen Thesen über Identitäten und Bilder, die allzu offensichtlich zur Diskussion gestellt werden, vertragen sich nicht mit dem manischen Stil, den der Film vor allem zu Beginn etabliert. Aber "Stil" ist eigentlich der falsche Ausdruck, denn die hervorstechende Eigenschaft der Ästhetik von Performance ist eben das Fehlen eines Systems, welches das Geschehen formal ordnet. Nicht alles ist wirr und extatisch, manche Sequenzen sind klassisch geschnitten, doch immer wieder bricht da Chaos in die Narration ein, nicht nur auf der Bildebene sondern auch auf der Tonspur, der sonst in vielen neueren Werken die Aufgabe zuzukommen scheint, die Kohärenz, die der Optik verloren gegangen ist, wieder herzustellen. Performance ist in den besten Momenten ein wildes Patchwork aus Personen, Farben, Formen und Tönen, dessen aufgelösten Strukturen allerdings allzuoft dazu benutzt werden, Themen zu verhandeln, die bei Regisseuren wie De Palma oder Bergman besser aufgehoben sind.
Doch nochmal zur Tonspur. Neben bizarrem Synthielärm finden sich in dem Film auch einige Musikstücke, die zeigen, dass es der weissen Rockmusik vielleicht doch möglich wäre, einen echten Beitrag zum Rhythm and Blues zu leisten. Nicht umsonst erreichten um 1970 Bands wie Black Sabbath, Deep Purple oder natürlich die Rolling Stones das Zenit ihres Schaffens mit Werken, die eine direktere Verbindung zu den schwarzen Vorbildern aufwiesen als alles davor und (vor allem) danach. Spätestens gegen Ende des Jahrzehnts hatten sich aber alle diese Ansätze durch die Zersplitterung der Szene in Punk, Metal, Prog und was weiss ich noch alles, verflüchtigt.

Saturday, September 24, 2005

Phantom of the Opera, Arthur Lubin, 1943

Sicher bin ich nicht der erste dem aufgefallen ist, dass die Geschichte des verrückten Komponisten, der ein Opernhaus unsicher macht, den Subtext eines unterdrückten Klassenkampfs besitzt (ich kenne allerdings nur diese Version der Geschichte und weiss nicht, wie nah sie dem Roman ist). In dem Moment als Eric Claudin sein Werk gestohlen wird (oder er dies glaubt), wird auch sein Gesicht verätzt, d.h. er wird gleichzeitig enteignet und ausgestossen, verelendet. Folgerichtig verschwindet er in der nächsten Szene in der Kanalisation. Mit etwas Fantasie (vieleicht etwas zu viel Fantasie...) könnte man das Ende des Films als faschistische Lösung lesen: Das Hirn (Anatole) und die Hand (Raoul) werden durch das Herz (Christine) vereinigt und beseitigen die Gefahr für die herrschende Ordnung.
Die Universal Version dieser Geschichte wird farbenprächtig und in großartigen Dekors präsentiert, was die potentiell subversiven Elemente noch stärker zum Ausdruck bringt. Das Opernhaus als Stolz der Bourgeoise bedarf keiner weiteren Erläuterung, die Thematik setzt sich hier aber auf der nächsten Ebene fort, da Phantom of the Opera Beweis dafür ist, wie es Hollywood gelungen ist, auch das eigentlich proletarische, so gar nicht hochkulturelle Genre des Horrorfilms salonfähig zu machen. Arthur Lubins Werk ist genau so glattpoliert wie die Produktionen, die das Opernhaus im Film aufführt und so bedürfte es natürlich mehr als nur eines Claude Rains um das Verdrängte sichtbar zu machen.

Friday, September 23, 2005

xXx : State of the Union, Lee Tamahori, 2005

Lange kann das sowieso nicht mehr gutgehen, dass Hollywood Jahr für Jahr Dutzende von Blockbustern raushaut, deren Budget von dem Bruttoinlandsprodukt so manchen Entwicklungslandes nicht allzu weit entfernt sein dürfte. Sicher ist es nur eine von vielen Merkwürdigkeiten des Spätkapitalismus, aber doch eine sehr markante, wenn die großen Medienkonzerne Millionen über Millionen in Filme investieren, in denen Menschen Fledermauskostüme anziehen oder behaarte Zwerge einem Ring hinterher jagen. Der Zusammenbruch dieser Art von Filmschaffen ist wohl nur eine Frage der Zeit bzw. einer Handvoll richtiger Mißerfolge, denn auch Sony, Warner etc können nicht jeden Tag 40 bis 50 Millionen Dollar in den Sand setzen, wie dieses Jahr mit der Fortsetzung von xXx oder dem Top Gun Klon Stealth.
In State of the Union versucht sich der ehemalige NWA Frontmann Ice Cube wieder einmal im Actiongenre. In den frühen 90ern orientierte sich die Gangsterrap Legende teils in Richtung des militanten Flügels der Pro-Black Bewegung und nahm Songs mit Public Enemy auf, spätestens seit dem Beginn seiner Hollywoodlaufbahn jedoch ist sein Stand in der afroamerikanischen Community ziehmlich am Arsch. Und auch die Filmkarriere dürfte nach diesem James Bond Versuch gewaltig ins Schleudern geraten sein. Tatsächlich hat der Streifen seinen Misserfolg in vieler Hinsicht verdient. Was ein High Concept Blaxploitaiton Spass hätte werden können, scheitert schon am Soundtrack, denn anstatt sexy Soul-Tunes setzt es eine unschöne Mischung aus mittelmäßigem New-School Hip-Hop und grottigem New Metal. Und abgesehen davon, dass man Xzibit nun wirklich nicht vor eine Filmkamera treten lassen sollte, funktioniert die Verbindung zwischen Agentenquatsch, Ghettogehabe und Daueraction zumindest hier äußerst selten, vor allem der Endkampf ist dazu auch noch handwerklich schlecht gemacht.
Dennoch ist es ärgerlich, dass ausgerechnet dieser Blockbuster Verluste einfahren musste, denn erstens ist State of the Union zumindest auf der Handlungsebene so liberal wie ein Hollywoodfilm nur sein kann (ultrakonservativer Verteidigungsminister will liberalen Präsidenten wegputschen und kann nur von einer Spezialeinheit gestoppt werden, die fast ausschließlich aus Afroamerikanern besteht) und zweitens ist der Flop wohl zu einem großen Teil auf eine Redneck Kampange gegen die Ablösung des neuen WASP Helden Vin Diesel durch den angeblichen Rassisten Ice Cube (wer hier wirklich rassistisch ist, daran kann natürlich kein Zweifel bestehen) zurückzuführen und es ist zu erwarten, dass der Einzug schwarzer (oder auch anderer Nicht-Weisser) Hauptdarsteller und Regisseure in den Mainstreamfilm (eine der wenigen positiven Entwicklungen im Hollywoodfilm der letzten Jahre) sich nach diesem Desaster zumindest verlangsamen dürfte.

Monday, September 19, 2005

Deadlock, Roland Klick, 1970

Über den deutschen Film zu schimpfen, heisst meistens, nicht genau genug hinzuschauen, denn ganz hinten, in den letzten Winkeln unseres Landes finden sich immer wieder Perlen die für den schändlichen Müll, den die Mainstream und Nicht-ganz-Mainstream Produktionen von Eichinger bis Weingärtner entschädigen. So geschehen in letzter Zeit etwa bei Status Yo!, Jazzclub (ok, beides schon etwas länger her) und vor allem Die Reise ins Glück, letzterer sicherlich DAS Filmereigniss des bisherigen Jahres. Doch so etwas ist selten und diese Filme sind klare Ausnahmeerscheinungen: Status Yo! wurde ohne eine Mark Fördergeld in jahrelanger Kleinstarbeit gedreht und die anderen sind schlicht und einfach die Werke zweier Genies. Warum jedoch muss man in diesem Land so weit weg vom Mainstream, vom Festival- wie vom Popcornkino um eine Chance zu bekommen, zumindest halbwegs vernünftige Filme zu sehen (sicher, die Situation ist wahrscheinlich in allen Ländern in den Grundzügen ähnlich, jedoch scheint es mir in Deutschland doch besonders schlimm, in Frankreich etwa, das strukturell Deutschland in vielem ähnlich ist, zB was die zentrale Rolle von Fördergeldern anbetrifft entstehen immer noch Jahr für Jahr herausragende, provokative, vor allem progressive Werke)?
Doch nun zu Deadlock. In den 70ern schien es noch weit weniger schwer, inspirierendes Kino auch innerhalb des Systems zustande zu bringen, das zeigen nicht nur einige Werke des inzwischen hinlänglich gewürdigten Neuen Deutschen Films, sondern auch einige Versuche im Genrekino, welche sich leider nie zu einer kontinuierlichen Produktion ausweiten konnten (zumindest außerhalb des Sex/Pornofilms). Roland Klicks deutscher Italowestern gehört sicherlich zu den Highlights dieser Jahre. Vom psychedelischen Anfang bis zum dekonstruierten Showdown breitet der Regisseur ein Spektakel vor dem Zuschauer aus, welches den Vergleich mit den besten Arbeiten Leones und Corbuccis wahrlich nicht zu scheuen braucht. Die Schauspieler tun ein übriges dazu, Mario Adorf spielt endlich mal in einem Film, der ihn auch verdient und Marquard Bohm (der auch in Rote Sonne, einem weiteren Ausnahmefilm aus dieser Periode zu sehen ist) spielt die vielleicht coolste Figur, die jemals über deutsche Leinwände gelaufen ist. Deadlock weisst nicht nur (rückblickend vergeblich) dem deutschen Genrefilm eine Perspektive jenseits des Schulmädchenreports, sondern erlaubt auch einen Blick auf ein Land, das einige Jahre lang bereit schien, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas Neues zu wagen. Nicht nur im Kino war spätestens in den 80ern diese Hoffnung wieder verblasst (womit Deutschland natürlich auch nicht alleine steht).
Nachtrag Jahre später: der Anfang: auweia

The Unforgiven, John Huston, 1959

Das ekligste an diesem widerwärtigen Indianer-Western ist, dass er sich selbst scheints irgendwie für liberal hält; klar, Audrey Hepburn als Indianerin (mit netter Lacanscher Selbstkonstitution vor dem Spiegel), sowas sah man in den 50er Jahren nicht allzu oft, doch was der Film daraus macht, ist grauenhaft. Um die erfolgreiche Integration dieser einen Rassenfremden zu vollenden, sind 50 bis 100 Indianerleben kein allzu hoher Preis (die Liebe muss wieder mal als zusätzliche Motivation herhalten). Die Rothäute sind so böse, dass sie sogar Konzertflügel zerstören, das geht natürlich gar nicht. Selten offenbart ein Film rückblickend seine Ideologie offener als dieser, gerade weil er an manchen Stellen scheinbar liberal zu argumentieren scheint und eine "ernsthafte" Auseinandersetzung mit seinem Thema sucht.
Zusätzlich funktioniert der Film auch dramaturgisch nicht, alles geht entweder zu schnell oder zu langsam, die Figuren sind stets nur darauf beschränkt, ihre Funktion innerhalb dieses Blödsinns zu erläutern, selbst Westerngrössen wie Lilian Gish (die ich nie in einer dooferen Rolle gesehen habe) haben da keine Chance. Auch die manchmal wirklich grandiosen Cinemascope-Aufnahmen nützen nichts. The Unforgiven ist eine von vorne bis hinten unerträgliche Angelegenheit.
John Huston hat viele wunderbare Filme gedreht. Der hier gleicht aber gleich mehrere davon wieder aus.

Friday, September 16, 2005

Zatoichi in Desperation, Katsu Shintaro, 1972

Der 24. Zatoichi Film ist ein kleines Meisterwerk, das mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Nichts mehr ist hier zu spüren von den Italowestern Einflüssen der Serie, dem Abenteuerfilm im wilden Japan. Zatoichi in Desperation ist ein dreckiges, düsteres Werk, das die Genregrenzen weit hinter sich lässt. Ein Großteil des Films spielt in engen Räumen, der Bildkader ist unterteilt durch Wände, Schleier, Schränke usw, nie wird es möglich, die Lokalität genau zu fassen, auch die einzelnen Figuren sind selten ganz im Bild, mal ein Kopf, mal ein halber Körper, das wars. In diesen Räumen herrscht wirklich die titelgebende Verzweiflung, verbunden mit einer meist unterdrückten Sexualität die sich nur in Gewalt entladen kann. Zatoichi, an dessen Potenz durchaus Zweifel bestehen können, versucht andere Wege zu finden, zur Erfüllung zu gelangen, doch meist vergeblich.
Der zweite Handlungsort ist ein Küstenstreifen, der im Gegensatz zu den engen Häusern im ersten Teil des Films kaum Requisiten bietet. Doch auch hier finden sich keine Establishing Shots im klassischen Sinne, die Szenerie wird nicht in der Wirklichkeit festgeschrieben sondern bleibt im Nirgendwo. Dennoch wirkt der Wechsel befreiend, zumindest entsexualisierend (vielleicht findet sich hier irgendwo ein Weg zu einer menschlicheren Lust), die Gewaltentladungen finden endlich ein Ziel, da die Menschen sichtbar werden.
Zatoichi in Desperation ist ein verstörender, in jeder Hinsicht unerwarteter Film. Meist sind die letzten Fortsetzungen langer Filmserien nur noch Variationen ausgelutschter Motive, hier jedoch finden sich Bilder, die die Thematik transzendieren und zeigen, wie ein scheinbar überkonventionalisiertes Genre wie der Samurai-Film in der Hand eines mutigen Regisseurs immer wieder aufs neue überraschen kann.

Tuesday, September 13, 2005

Out 1: Spectre, Jacques Rivette, 1972

4 1/2 Stunden dauert Rivettes Meisterwerk und ist dabei keine Sekunde zu lang. 262 Minuten lang eröffnet sich ein Reigen aus Motiven, Personen, Ideen, Träumen und danach kann nichts bleiben wie es einmal war, soviel ist sicher.
Wenn Out 1: Spectre ein Thema hat, ist es wohl Sinnproduktion, bzw. die gleichzeitige Unmöglichkeit und Unvermeidbarkeit derselben. Die einzelnen Motive scheinen sich in den ersten zwei Dritteln des Films langsam zu größeren Mustern zu fügen, wobei die Fiktion den Zuschauer imitiert: wie dieser versuchen die Protagonisten (wie soll man sie sonst nennen?) ihre Umgebung zu strukturieren, wenn nicht zu erklären, so wenigstens zu dynamisieren. Doch selbst wenn dies gelingt, so nur für kurze Zeit, denn wie sich die Geheimbünde, Balzac-Zitate und Theaterproben untereinander und auf die Figuren beziehen, ist, wie das letzte Drittel des Films deutlich macht, eine Frage, die jeden Moment neu gestellt und jeweils unterschiedlich beantwortet werden muss. Nicht nur der improvisierte Produktionsverlauf des Films, auch seine narrative Struktur steht formalistischen Ansätzen diametral entgegen. Rivette erscheint als genaues Gegenstück der Kontrollregisseure von Eisenstein bis von Trier, konzentriert er sich doch auf die äußersten Ränder des Films, die zahlreichen Subtexte und Querverweise und lässt das Zentrum des Films offen nicht nur für seine Mitstreiter sondern auch für den Zuschauer. So lädt ausgerechnet dieser Film, der auf den ersten Blick so in sich selbst ruht wie kaum ein anderer , den Zuschauer zum Dialog ein. Er geht nicht auf dieses zu, sondern weicht zurück und fordert den Willigen auf, näherzutreten und einen der freien Plätze im Gefüge einzunehmen (und von diesen gibt es genug, personalisierte und nicht personalisierte).
Was bleibt nach dem Genuss dieses Meisterwerks? Zumindest zweierlei: erstens möchte ich die Hose der Erpresserin (cooler geht's nicht) und zweitens will ich irgendwann die 13-stündige Version sehen.

Friday, September 09, 2005

Rip-Off & Rip-Off 2, Andy Chukwu, 2004

Endlich habe ich (dank einem sehr coolen Afrikashop in Moabit) den Einstieg in die nigerianische Videoproduktion gefunden. Die beiden Rip-Off Filme zeigen ein afrikanisches Gangsterepos, welches zwar stark von amerikanischen Genreproduktionen beeinflusst zu sein scheint, aber doch ganz anders ist. Für Trash-Connoseure allerdings ist dieser Film keine allzu gute Wahl (obwohl es im nigerianischen Filmgeschäft da sicher auch genug gibt, das zeigen schon die Trailer vor den Filmen). Mieße Special Effects sucht man vergeblich und zumindest die Hauptdarsteller machen ihre Sache recht gut. Sicher werden Plotfaschisten in Sachen Continuity und Glaubwürdigkeit einiges auszusetzen haben und die Soundqualität ist teilweise unterirdisch, doch insgesamt wird deutlich, dass die Macher des Films keine Anfänger sind.
Was Rip-Off wirklich von der abend- (und morgen)ländischen Konkurrenz unterscheidet, ist, dass die einzelnen Codes, die den Film konstituieren, deutlicher unterschieden werden können. Beispielsweise werden exploitative Elemente, Genrekonventionen, narrative Zweckseinstellungen, künsterische Exzesse und die leider recht frauenfeindliche "Botschaft" nicht miteinander verflochten, sondern bleiben stets getrennt. Auch die Musik (der bizarrste Teil des Films, eine Mischung aus coolem Billigsynthie Sound und mießen, gecoverten Popsongs) fügt sich in dieses Schema. Aufgrund aprupter Wechsel bleibt sie stets im Vordergrund und damit lesbar. Natürlich hängt dies damit zusammen, dass der Film gegen meine Sehgewohnheiten verstößt, doch auch wenn man diesen Effekt abzieht, bleibt zu erkennen, dass die Regie kaum versucht, die einzelnen, disparaten Elemente zu integrieren (und das nicht aus Unfähigkeit, dazu ist der Film technisch zu gut), dies scheint das afrikanische Publikum nicht zu erwarten (oder zumindest nicht im selben Maße wie das Europäische oder Amerikanische).
Diese leichtere Lesbarkeit gibt dem Zuschauer natürlich in erster Linie Macht über den Film. Auch für Fans überkonventionalisierter Genreproduktionen, z.B. der Hammer-Studios oder Roger Cormans spielt wohl die Macht, die sie über ihre Favoriten stärker ausüben können als über zeitgenössische High-Concept Werke oder Qualitätsfilme, eine wichtige Rolle. Im Falle von Rip Off scheint mir, steht die Sache jedoch etwas anders, da die Kommunikation sich weiter fortsetzt als bei Corman & Co. Denn die Welt des Filmes ist höchst real, die (äußerst durchsichtigen) Gangsterinszenierungen werden immer wieder abgelöst von Bildern des realen Nigerias und Gesprächen, die direkt die Lebenssphäre der Zuschauer ansprechen können. Was diese Mischung aus Lesbarkeit und Rückkopplung in den Alltag konkret bedeutet sei dahingestellt, auf jeden Fall bietet sie etwas, das ich noch in keinem anderen Film gefunden habe.

Thursday, September 08, 2005

Jules et Jim, Francois Truffaut, 1962

Truffauts vielleicht bekanntestes Werk ist kein guter Film. All das Flattern und Flirren, Summen und Wabern mag anfangs betören, zumindest mir geht es aber spätestens in der zweiten Hälfte gehörig auf die Nerven, vor allem weil sich dahinter eine dumme Männerphantasie verbirgt, die in keiner Sekunde auch nur irgend etwas zu sagen hat. Alles umsonst, nichts bleibt von all den Worten, all den Bemühungen, große Bilder zu schaffen (Musikbilder, Frauenbilder), all den Episoden, die sinn- und zweckfrei aneinandergefügt werden. Zwischendrin der erste Weltkrieg und Bücherverbrennungen, falsche Menschen leben in einer echten Geschichte, das macht die Sache nicht besser. Das Problem ist nicht Privatismus (dagegen ist nichts zu sagen), sondern die Vorspiegelung von Privatismus, der keiner ist. Denn wer sich von der Geschichte distanziert, hat damit eine Entscheidung getroffen, die ihn wieder zu derselben in Beziehung setzt. Truffaut jedoch beschreibt Menschen, für die Kriege höchstens als Katalysatoren in Beziehungskrisen nützlich sein können und innerhalb des Films fast expressiven Charakter haben.
Erinnert hat mich Jules et Jim als Ganzes an Singing in the Rain, auch so ein guter schlechter Film, welcher viel Stoff gibt für jemanden, der auf den Trick hereinfällt, aber im Grunde hohl bleibt.
Nachtrag Jahre später: sehe ich inzwischen komplett anders. Als Artefakt aber nett

Wednesday, September 07, 2005

Into the Sun, Mink, 2005

Into the Sun ist einer von schätzungsweise 20 Filmen, welche Steven Seagal in den letzten 3 Jahren gedreht hat und die alle für den DVD-Markt produziert wurden. Regie führt dabei ein gewisser Mink, der seinen richtigen Namen aus gutem Grund für sich behält und sichtlich bemüht ist, den Stil der Neo-Yakuza Filme von Takashi Ishii und Takashi Miike zu kopieren. In diesem Fall bedeutet das viele durchgeknallte Gangsterjapaner und zwischen den Szenen unmotiviertes Cutting einmal quer durch Tokyo und zurück. Der Plot bleibt dabei natürlich den amerikanischen B-Film Konventionen entsprechend geradlinig von Anfang bis Ende, was die technischen Spielereien endgültig als Angebereien kennzeichnet (hinzu kommt, dass Mr. Mink kein Gespür für Framing, Montage oder sonst irgendwas hat und als biederer Fernsehregisseur bei weitem besser aufgehoben wäre).
Steven Seagal brilliert währenddessen in flüssigem Japanisch und klassischen Aikido, hat aber relativ wenig Mühe, die chinesisch-japanische Verschwörung auseinander zu nehmen, allerdins wird er am Ende doch rabiater und smarschiert sogar durch einen japanischen Steingarten , wo er vorher die Kultur des Landes stets respektierte. Wohl auf Seagals Einfluss ist es auch zurückzuführen, dass das Japan, welches der Film entwirft, japanischer wirkt, als das von Groß- bzw. Prestigeproduktionen a la Der letzte Samurai oder Lost in Translation. Was den Film natürlich auch nicht rettet.

Sunday, September 04, 2005

Land of the Dead, George Romero, 2005

George Romeros neues Werk funktioniert leider nicht allzu gut. Das hat zum einen technische Gründe. Die Bilder sind zu düster, die Endzeitatmosphäre ist zu gewöhnlich umgesetzt, die Orientierung an Vorbildern wie Mad Max wird zu deutlich. Auch gelingt es der Inszenierung nie, klassische Spannungsinszenierungen zu erweitern oder auch nur voll auszuschöpfen. Die Filmsprache wirkt veraltet, obwohl Romero immer wieder krampfhaft versucht, sich dem aktuellen Actionfilm anzupassen. Einzig die Goreszenen verraten die alte Klasse des Regisseurs und wirken gerade deshalb seltsam losgelöst aus dem Gesamtwerk. Die Bilder der in Gedärmen wühlenden Zombies besitzen immer noch dieselbe befreiende Kraft wie in Dawn of the Dead, allerdings finden sie in einem unpassenden ästhetischen Umfeld statt, was sie wie ungerichtete Energie erscheinen lässt. Eventuell liegt gerade hierin ein anarchisches Potential, welches dem Film auf lange Sicht doch eine stärkere Position geben könnte.
Das größere Problem findet sich auf der politischen Ebene. Romero baut eine holzschnittartige politische Parabel, die sich einfach nicht mit den tieferen sozialhistorischen Dimensionen, die ser Film eröffnet, verträgt. Dennis Hopper als George Bush, das Fiddlers Green als World Trade Center: all die offensichtlichen und wohl irgendwie aus Rechtfertigungsgründen (schließlich ist es ein Werk von Romero, dessen Reputation darauf beruht, dass er angeblich mehr als nur Filme über Zombies macht) hineingeschrieben wurden wirken eher unfreiwillig komisch als erhellend und vertragen sich nicht mit der B-Movie Ästhetik.
Zwar ist der Versuch, einen liberalen Horrorfilm zu drehen, durchaus ehrenwert, aber die tiefergehenden politischen Bezüge finden auf einer anderen Ebene statt. Wenn die Menschen aus Angst, sich in Zombies zu verwandeln, nach dem fatalen Biss selbst erschiessen erinnert dies an die amerikanischen Farmer, die ihre Töchter lieber erschossen, als sie den Indianern zu überlassen, oder an das Mädchen, welches in Birth of a Nation aus Angst vor einer Vergewaltigung durch einen Farbigen von einer Klippe springt. Auch das Feuerwerk , mit dessen Hilfe die Zombies ruhiggestellt werden, eröffnet Vergleichsmöglichkeiten von der amerikanischen Vergangenheit (Feuerwasser für die Rothäute) bis in die von Fernsehbildern konstruierte Gegenwart. Bei dem Versuch, mehr als nur einen Zombiefilm zu drehen, ist Romero diesmal leider über das Ziel hinausgeschossen. Land of the Dead ist überladen mit politischen Verweisen, die mit dem Holzhammer (kaum über Michael Moore Niveau) dem Publikum eingeprügelt werden und dabei die Diskurse, den der Film nebenbei eröffnet, meistens erstickt.
Nachtrag Jahre später: auch das sehe ich jetzt alles anders... toller Film, das

Friday, August 12, 2005

Tsui Hark Triple Feature

Als Einstimmung auf Seven Swords, der hoffentlich bald Deutschland erreichen wird, habe ich mir drei Filme des Altmeisters zu Gemüte geführt, die mir noch unbekannt waren.
Der erste Film, das frühe Jet Li Vehikel The Master ist eine echte Katastrophe. Tsui Hark macht hier alles falsch was man nur falsch machen kann, vom Casting über die ziellos mäandernde Story hin zu den meist unmotiviert geschnittenen Kampfszenen. Als Lis Gegenspieler "brilliert" die B-Action Dutzendware Jerry Trimble mit einem 1A Fokuhila in ihrer ersten Rolle und der Rest des Cast ist (ausgenommen Jet Li) fast noch schrecklicher. Das Los Angeles welches Tsui Hark erschafft erscheint als eine einzige Ansammlung von kampfsportbesessener Knallchargen und asexuellen, dumme Sprüche klopfender Frauen. The Master ist der erste einer Reihe von Versuchen des Regisseurs, in den USA Fuss zu fassen. Zwar ist er wohl nie so vollständig gescheitert wie hier, doch macht dieser Film deutlich, dass Tsui Hark grundsätzliche Probleme hat, die amerikanische Lebensart zu adaptieren.
Viel wohler fühle ich mich in seinem Frühwerk All the Wrong Clues, welches eine Arbeit in seinem Lieblingsgenre (oder zumindest in dem, in welchem er am fähigsten ist) darstellt, nämlich in der Screwballkomödie. Mit unglaublicher Leichtigkeit zeigt er auch dem gut zwei Jahrzehnte später entstandenen, ästhetisch wie thematisch ähnlichen Kung Fu Hustle wo der Hammer hängt. Zwar ist der Film deutlicher als The Master vom amerikanischen Kino beeinflusst, allerdings stellt Tsui Hark die zahlreichen Film Noir und Gangster Klischees in einer Weise dar, die 100% Hong-Kong Kino ist. Denn auch wenn die Figur des zwergwüchsigen Inspektor an Groucho Marx und die des tollpatschigen Detektivs von fern an Jerry Lewis erinnert, bleibt festzuhalten: eine so perfekte und dynamische Mischung aus vulgärem Humor und Genreparodie hat Hollywood auch zu seinen besten Zeiten nicht erschaffen. Gemeinsam mit dem noch ein wenig genialeren Shanghai Blues und dem Wuxia Klassiker Zu stellt All the Wrong Clues das Kernstück Tsui Harks früher Arbeit im populären Film dar. So gut wie in diesen Filmen aus der ersten Hälfte der 80ern war er nie wieder.
Time and Tide schliesslich war ein kommerziell nicht allzu erfolgreicher Versuch, einen High-Profile Film mit den Mitteln der Hong-Kong Bildsprache zu drehen, der sich mit den aktuellen Hollywood Blockbustern messen kann. Gescheitert ist der Film wohl weniger an den Amerikanern als an der lokalen Konkurrenz durch Infernal Affairs, dem lokalen Topseller des Jahres 2000, der freilich im rückblickenden Vergleich in ästhetischer Hinsicht Tsui Harks Werk deutlich unterlegen ist. Infernal Affairs ist eines jener Werke, die den Formeln der erfolgreichen Filmen aus den späten 80ern und frühen 90ern misstrauen und eher auf Amerika schielen (ein Trend der eventuell 1996 mit Big Bullet begann), wobei der Film natürlich nicht schlecht ist. Aber wie alle diese auf Charakterentwicklung zentrierten, logisch aufgebauten Werke tendiert auch hier der Inhalt dazu, die Form einzuengen, der Überschuss an Kinetik, der das Hong-Kong Kino in seiner Blütezeit auszeichnet, ist nicht mehr im selben Maße spürbar. So ist ein US Remake dieses Tsui Hark Werkes kaum vorstellbar, schon gar nicht von einem Dinosaurier wie Scorsese. Time and Tide ist anders. Der Stil verschlingt sowohl die Story als auch deren Auflösung, die zirkuläre Handlung findet fast nur zwischen den Bildern statt und erreicht dennoch stellenweise eine fieberhafte Intensität, die man im traditionellen Erzählkino vergeblich sucht. Der Film ist in seiner Ästhetik seiner Zeit dermaßen weit voraus, dass man daran zweifeln kann, ob er jemals eingeholt wird. So ist er vielleicht eher als avantgardistisches Experiment zu würdigen denn als Revolution des Erzählkinos. In jedem Fall beweißt er, dass mit Tsui Hark auch in diesem Jahrtausend zu rechnen sein wird.

The Set-up, Robert Wise, 1949

Ein wunderschönes Beispiel für filmische Effektivität ist dieser Noir aus dem Jahr 1949. Wise erzählt die Geschichte fast in Echtzeit, im Mitttelpunkt steht ein Boxkampf, der dem Zuschauer fast vollständig präsentiert wird. Ein bisschen Vorlauf, ein wenig Epilog, mehr benötigt der Film nicht um seinen Punkt zu machen. Eigentlich sagen die Bilder des Kampfes genug. Robert Ryan schlägt vornübergebeugt verzweifelt auf seinen jugendlichen Kontrahenten ein, boxt gegen die Depression an, die sein Leben und wie es scheint das der ganzen Welt befallen hat. Es gibt eben kein richtiges Leben im falschen und die New Deal Träume enden ebenso wie die vom Meistertitel in einer Sackgasse.
Wenn schließlich (wie in so vielen Meisterweken des amerikanischen Genrefilms) wieder scheinbar unmotiviert ein kleines Happy End stattfindet, so fühle ich mich im ersten Moment vor den Kopf gestoßen, möchte die letzten Minuten des Films am liebsten aus meinem Gedächtnis löschen. Doch warum eigentlich? Ist der Optimismus, den Wise am Ende artikuliert wirklich nur aufgeklebt? Was wäre denn die Alternative? Hoffnungsloses Weiterboxen in der sozialen Misere, vielleicht irgendwann der Wechsel auf die Seite der Ausbeuter, der Voyeure. Nein, im Grunde ist der individualistische romantische Ausweg den Robert Wise eröffnet eine begrüßenswerte Utopie, vielleicht die einzig mögliche.

Wednesday, August 10, 2005

Hao nan hao nu (Good men, good women), Hou Hsiao-hsien, 1995

Die Videoveröffentlichungen des trigon-film Labels betrachte ich meist etwas skeptisch. Zwar ist es mehr als ehrenwert, Kino aus Asien, Afrika und Lateinamerika in Deutschland zu vertreiben, die Filmauswahl jedoch erscheint etwas fragwürdig auch hinsichtlich des Bildes, das sich der trigon-Kunde durch die Kasetten von anderen Kontinenten macht. Mit den stets bedächtigen, oft folkloristischen, nie aber im herkömmlichen Sinne unterhaltsamen Autorenfilmen werden diese Länder exotisiert und ein Blick auf die reale Situation eher erschwert denn erleichtert. Denn so wie westliche Kinogänger in den 50ern nach Rashomon dachten, alle japanischen Filme sähen aus wie dieser, wird auch das heutige Image vor allem des asiatischen Kinos (die afrikanischen und lateinamerikanischen Filmwelten sind trotz trigon weiterhin imagelos - man weiss einfach gar nichts) von stets sich ähnelnden, "kontemplativen" Werken bestimmt, die ja auch gut zu Zen und dem ganzen anderen Fernostkram passen. Dass dies weit an der Realität vorbeizielt wird jedem klar, der sich nur ein klein wenig tiefgehender mit Asien beschäftigt. Das Problem liegt natürlich nicht bei trigon, doch wenn die sich schon die Mühe machen, Filme fast ohne Marktpotential zu vertreiben, könnten sie doch einmal über etwas progressivere Strategien nachdenken.
Wie dem auch sei, bei einem Film von Hou Hsiao-hsien ist mir das alles egal. Denn was der Altmeister des taiwanesischen Kinos erschafft sucht vergeblich seinesgleichen. Auch in Hao nan hao nu erschafft er wieder Bilder, die selbst auf Video eine unglaubliche Sogwirkung erzielen. Die für trigon typischen langen Einstellungen sind hier kein Klischee, sondern die einzige logische Option. Warum schneiden? Hou Hsiao-hsien braucht keine Montage um etwas auszudrücken, entweder man findet etwas in seinen Bildern oder eben nicht. Es liegt alles am Betrachter.
Good men, good women spielt auf drei Zeitebenen und wirkt doch nicht konstruiert. Frei fließende Bilder verbinden Fiktion, Vergangenheit und Gegenwart zu einem Meisterwerk des modernen Kinos. Modern nicht modernistisch, der Regisseurinteressiert sich nicht für Avantgarde, für Provokation, für die ganzen jämmerlichen Scheingefechte europäischer "Autoren"filmer mit Hollywood. Er macht sein Ding und wer es gut mit sich meint schaut ihm dabei zu.
Nachtrag Jahre später: muss ich nochmal sehen. Und dann was besseres darüber schreiben.

Saturday, August 06, 2005

Rats, Tibor Takacs, 2003

Mutierte Ratten überfallen eine psychiatrische Klinik. Eine dieser typischen Videothekengurken, bei der ich nicht verstehe, wer sowas finanziert und wie sich das ganze Projekt auch nur halbwegs rentieren kann. Schliesslich kostete auch dieser B-Movie wahrscheinlich ein paar Millionen und hat in Amerika scheints sogar einen Kinostart bekommen. Nicht, dass ich an dem Genre grundsätzlich etwas auszusetzen hätte, Tierhorror soll es auch weiterhin geben, manchmal kommt ja doch ganz ordentliches bei raus, selbst bei ähnlich schematischen Filmen (z.B. Mimic). Aber hier ist alles lächerlich und langweilig, von der ersten bis zur letzten Sekunde. Die Story ist haarstreubend zusammengeklebt (auch wenn sie entfernt an Shock Corridor erinnert - das macht das ganze eigentlich nur noch schlimmer), die Spezieleffekte sind kaum vorhanden und die Regie bieder von Anfang bis Ende, ein paar Rattensubjektiven können auch nichts mehr retten. Also nochmal: wer dreht mit welchem Geld solche Filme? Und was wird später aus ihnen? Die B-Movies der dreissiger und vierziger erfreuen sich teild großer Beliebtheit, doch wird es wirklich Leute geben, die in 60 Jahren Rats ansehen?

Padre Padrone, Paolo und Vittorio Taviani, 1977

Die entwicklungsromanartige Geschichte des Films ist mir eigentlich (wie die meisten Entwicklungsromane im Kino) unsympathisch. Menschliche Entwicklung wird rückblickend auf Schlüsselerlebnisse reduziert und schon hat man eine 1A Subjektbildung mit linearer Progression. Der Spielfilm ist für dieses Thema das falsche Medium, da er keine Überlagerungen zeigen kann und deshalb konventionelle Vorstellungen von Sozialisation zementiert. In diesem Fall die Sozialisation eines gefühlvollen Bauernjungen in Opposition zu seinem brutalen, ungebildeten Vater, der intellektuelle Dünkel ist stellenweise schwer zu ertragen.
Trotzdem ist Padre Padrone ein wunderschöner Film. Das sizilianische Landleben ist sehr unmittelbar erfahrbar, nicht durch bloßen Realismus, sondern aufgrund von vielschichtigen Bild- und Tonmontagen, die synergetische Effekte erzeugen. Vor allem der Anfang des Films evoziert eine extrem komplexe, echte Welt, als deren Beobachter man gerne länger verweilen würde. Dabei verzichten die Tavianis auf jede Idyllisierung. Das Sizilien von Padre padrone ist ein grausames Land, die Olivenbäume und Ziegen sind nicht romantisch sondern rufen Aggression hervor. Gleichzeitig jedoch zeigen die Tavianis die Prägung, die alle Menschen durch ihre Umwelt, vor allem die konkret stoffliche, in der sie aufwachsen erfahren.
So bleiben nach dem Verlassen des Kinos einige Bilder von schier unglaublicher Intensität, eine Hirtenunterkunft, die Strassen eines italienischen Dorfes, Bilder, die in mir vor allem Sehnsucht auslösen und die Erkenntniss, dass ich dringend mal wieder raus muss aus Berlin, und sei es nur für ein paar Wochen.

Thursday, August 04, 2005

Greetings, Brian De Palma, 1968

Mit irgendetwas muss ich diesen Blog beginnen, warum dann nicht mit einem frühen De Palma Film.
Greetings steht irgendwo zwischen dem New Yorker Underground von Warhol, Ron Rice etc und New Hollywood, allerdings sicher näher bei ersterem. Begonnen mit dem haarstäubend hippieesken Titelsong (von einem dämlichen imdb Rezensenten sehr clever beschrieben als "sounds like the Beatles on drugs") bis zu zahlreichen Verbeugungen vor Godard ist dieser Film von Anfang bis Ende erfreulich kommerzresistent. Als Vergleich liegt aber weniger der französische Dauerrevoluzzer nahe, sondern eher Morrissey/Warhols Flesh-Trilogie, deren erster Teil im selben Jahr entstand. Allerdings spielt Greetings nicht im Junkie-Transen Milieu sondern beschreibt das Leben dreier Möchtegern-Bohemes, die in der Stadt herumstolpern und über Frauen und Vietnam philosophieren. In der zweiten Hälfte des Films finden sich dann gehäuft typische De Palma Motive: Verweise auf andere Filme (Blow Up) sowie voyeuristische Obsessionen, die in einer Schlusspointe gipfeln, die in der Filmgeschichte ihresgleichen sucht und die Verbindungen zwischen Sex und Gewalt, Privatem und Politischem radikaler fasst als alles, was ich bisher gesehen habe. Diese Schlussszene entschädigt auch für den Leerlauf, der zwischendurch aufkommt, wenn es zum Beispiel um blödsinnige Kennedy-Verschwörungstheorien geht.
Sicherlich gibt es an Greetings einiges auszusetzen, De Palma hatte ganz offensichtlich sein Genre noch nicht gefunden und die Schauspieler können mit Außnahme von De Niro ihren Rollen wenig Interessantes verleihen. Doch wenn man wie ich kurz zuvor einen gelackten europäischen Kunstfilm wie Bertoluccis Il Conformista gesehen hat, der ebenfalls eine Verbindung zwischen Sex und Politik sucht, aber das Ganze ausschliesslich auf ausgetreten Pfaden abhandelt und dann auch noch Platons Höhlengleichniss vermantschen muss, erscheint De Palmas Werk fast wie eine Erlösung.
Ist der Unterschied zwischen De Palmas experimenteller Filmsprache und Bertoluccis übergrandiosen Bildern der zwischen Kunst und Kunsthandwerk? Naja, wahrscheinlich nicht...